Samstag, 6. Februar 2016

Fehler

Kann, soll, darf man über Fehler schreiben? Jagdliche Fehler? Ist es ein Tabu, wenn man öffentlich zugibt, dass etwas schiefgelaufen ist? Ich hab lange nachgedacht, ob ich diesen Post schreiben soll. Schlussendlich: ja. Ehrlich währt am Längsten, ich stehe dazu und ich erzähle meinen bisher schlimmsten Fehler. 
Je länger, je begeisterter bin ich von der Jagd. Ich stehe sogar früh auf dafür (sehr früh... Ich bin der geborene Morgenmuffel), ich liebe die Stille, die Ruhe und das Gefühl, dass die Welt ab und an still steht. Nach einem absolut irren Jagdwochenende mit kleinen Drückjagden, meinen ersten Solotrieben mit und ohne Hunde und dem Wissen, dass es Montags auf Klassenfahrt gehen würde, setzte ich mich raus. Obwohl das Reh noch frei war, entschied ich mich gegen einen Abschuss. Es war herrlich, ich war zu warm angezogen und hab mich zwischendurch leise aus der Jacke geschält, um sie dann doch wieder anzuziehen. (Ich erwähne das bewusst!) 
Ganz alleine genoss ich den Sonnenuntergang, trank meinen Pfefferminztee mit Zitrone in Minischlucken und war eigentlich ganz froh, dass alles so war, wie es war. 
Aus dem Nichts standen auf einmal Sauen vor meiner Nase, gut, da konnte ich nicht stillhalten. Waffe leise hoch, anvisiert, Leuchtpunkt passte perfekt, Waffe gespannt, weiter gewartet, die Sau stand breit, ausgeatmet, Schuss fiel. 
Die Sau klagte laut, durchdringend, eigentlich war mir da schon klar, dass irgendetwas furchtbar schiefgegangen war. So klagt keine Sau nach einem guten Schuss. Sitzen bleiben, hören. Kein Rumpeln, kein Schlegeln, nur lautes Klagen. Mit der Hoffnung der Verzweifelten, auf einmal war allein sein doch nicht mehr so klasse, blieb ich sitzen. Informierte meinen Revierpächter und meinen Partner. Beide hiessen mich ruhig zu bleiben, den Anschuss zu suchen, nachdem ich 20min gewartet hätte. Völlig zittrig verliess ich den Sitz und holte Freya. 
Kein Anschuss zu finden, unterdessen suchten wir zu zweit mit Hund, der uns auch auf die Schweissspur bringen konnte. Immer tiefer ging es in den Wald, Schweiss direkt neben dem Schalenabdruck. Das war mein Alptraum. Ich entschied abzubrechen und unseren Nachsuchenführer anzurufen, wie gelernt machte ich mir gar nicht erst die Mühe mit Brüchen zu markieren, sondern benutzte gelbes Markierband aus Papier. Diese Nummer wäre auch am nächsten 
Tag weit weg von unseren Möglichkeiten
. Ich war ziemlich fertig mit der Welt, ich glaube ich habe ca. 1.5 Liter Tränen vergossen, vor Wut auf mich selbst, vor Trauer, weil genau das eingetreten war, was ich nie wollte. Ein Tier litt Schmerzen, quälte sich, wegen mir... Ich spielte und spiele die Situation immer wieder durch. Was war schiefgelaufen? Ich schwanke zwischen "falsch eingesetzt, weil Falte im Pulli" und "Zielfernrohr nicht gut aufgesetzt". Zweiteres ist unwahrscheinlicher als ersteres. 

Mit dem miesen Gefühl das Tier und unseren Nachsuchenführer allein zu lassen, musste ich nach einer durchwachten und durchheulten Nacht zur Klassenfahrt aufbrechen. Was hatte ich getan? Wie kann man einfach so zur Jagd gehen, wenn man am nächsten Tag seinen Mist nicht selbst beseitigen/richtig machen kann? Es ging nicht. Alea iacta sunt. Dann steht man da und hofft und betet, dass alles gut geht, niemand verletzt wird und das Tier nicht lang leiden muss. 
Es wurden 2.5 km Riemenarbeit mit wohl kurzer Hetze am Ende, ich hatte das Tier schwer an der Keule verletzt. Ein Terrier und die erfahrene Weimaranerhündin bügelten meinen Fehler aus. Zum Glück gibt es Menschen, die diese Arbeit tun möchten. Einmal mehr ein Grund mehr mit meinen Hunden zu arbeiten. Ich hatte unterdessen -nach einem Verkehrsunfall, wo ich mit meinen Hunden auch überfordert war (Reh, konnte schlussendlich nicht gefunden werden)- wieder die Möglichkeit, mir die Arbeit dieses Teams anzusehen, die Seelenruhe der Hündin, abgeklärt, die ruhige Teamarbeit, ohne Worte, ohne Hektik. 

Niemals war ich dankbarer dafür, dass ich diese Nummer in meinem Telefon habe und unsere Nachsuchenführer darauf bestehen, zu jeder Tages- und Nachtzeit anzurufen, wenn Not am Mann ist. 
Trotzdem möchte ich das auf keinen Fall wiederholen müssen, die Unsicherheit, Trauer, Wut, Enttäuschung. Wie geht es weiter? Ein Kontrollschuss reicht mir nicht. Ich gehe sowieso regelmässig auf den Schiessstand, hab mich nun aber zusätzlich im Schiesskino angemeldet. Ich brauche wieder die Sicherheit, dass ich mit meiner Waffe gut schiessen kann - in jeder Situation. Vorher werde ich nicht zur Jagd gehen. Meine Vermutung geht zwar eher zum falschen Einsetzen, aber ich möchte Gewissheit haben. 

Trotzdem freue ich mich schon jetzt wieder darauf auf den Ansitz zu gehen, wenn alles passt. Ohne meine ruhigen Stunden? Nein, ich möchte es nicht mehr missen.