Freitag, 6. November 2015

Genug der Selbstbeweihräucherung?!

Bekannterweise möchte ich mit diesen/den nächsten/wenn es passt (aber der Plan wäre schon sehr bald) Hunden Nachsuchenführerin werden. Ich arbeite derzeit hart, aber sehr positiv und mit einem Hoffnungsschimmer, an der Vorbereitung für Freyas Prüfungen. Dabei bin ich an einen Rüdemann geraten, der mich fasziniert. Unglaublicher Typ, er schafft es, dass man sich innerhalb von wenigen Sekunden gut fühlt und das Hundetraining so locker und so unglaublich leicht fällt, er korrigiert an der richtigen Stelle, lobt und straft und ach, ich bin dort sehr glücklich.

Er hat in der letzten Stunde einige sehr wichtige Dinge zum Thema Nachsuche gesagt, die mich sehr beschäftigten. Als eine junge und neue Generation der Jäger müssen wir/ich den Tatsachen ins Auge sehen, haben sich die Jäger einfach jahrelang zu sehr selbstbeweihräuchert? Gerade was das Thema Nachsuchen anbelangt? Wie gesagt, ich bin Jungjägerin, ich bin (noch) keine Nachsuchenführerin, ich habe ein paar Nachsuchen begleitet, ich finde das Thema einfach unglaublich spannend.
Trotzdem wurden da gestern Abend einige Themen angesprochen, die ich gern weiterspinnen möchte.
Schauen wir mal auf die typischen Facebook Hundegruppen, dann liest man ab und an: Kranke Sau nach 4 Kilometer Hatz gestellt, Bild vom bayrischen Gebirgsschweisshund und der toten Sau. Darunter 485 mal "Waidmannsheil!" "Tolle Leistung!" "Suchenheil" und so weiter und so fort. Aber müssen wir das wirklich beglückwünschen? Wir möchten doch, dass die Tiere so schnell, fachgerecht und schonend  wie möglich gefunden, gebunden und abgetan werden. Vier Kilometer Hatz? Auf ein krankes Tier, ist das denn noch gerechtfertigt? Vier brutale Kilometer, warum muss das so lang gehen? Das Fleisch (für das wir ja nun oft genug jagen) kann man hinterher wegwerfen. Die böse Frage, war der Hund zu langsam? Wenn ich mir ansehe, wie schnell meine Drahthaardame starten kann, dagegen ist ein BGS eine langsame Schnecke. Das schlimmste, was wohl passieren kann, ist ein Treffer im Gebrech der Sau, denn sie bleibt voll mobil und auch der Blutverlust wird sich in Grenzen halten, sie bleibt sehr schnell. Aber ein gut trainierter Hund sollte auch für so etwas keine vier Kilometer brauchen, bis er die Sau gestellt hat. Ausserdem: ein Hund zur Nachsuche auf Sauen? Geht das wirklich? Wäre es für beide Tiere nicht tierschutzgerechter, wenn ein zweiter, ebenfalls scharfer Hund die Sau mit binden würde? Ich habe selbst erlebt, wie sehr man sich verschätzen kann, wenn man nachts eine Sau beschiesst. Ich war 100% sicher, dass es ein Überläufer war, am Ende war es ein nicht mehr gestreifter Frischling. Geht man nun mit einer falschen Vorstellung an diese Nachsuche heran, weil der Jäger es falsch eingeschätzt hat, dann steht man auf einmal vor 100kg Schwein, das ein Überläufer sein sollte. Und dann? Lassen wir unsere Hunde ins Verderben laufen?
Eine schnelle Hatz, ein schneller Tod, das sollte das Ziel einer Nachsuche sein. Sicherlich ist das in der Praxis nicht immer umsetzbar, aber warum setzt man vermehrt langsame Hunde ein, um schwere Nachsuchen zu machen? Warum werden die Spezialisten, wie Hannoverscher Schweisshund und BGS in den Himmel gelobt, obwohl sie auf schnelle Tiere, wie Sau und Reh eigentlich zu langsam sind? Gerade die Vernöchlässigung einer Rehnachsuche finde ich nicht gut, wer tritt denn seine Fährten mit Rehschalen? Ich versuche das immer öfter einzubauen, weil mir auffällt, dass meine Hündin mit diesen am meisten Mühe bekundet, es aber gleichzeitig das Wild ist, das wir am häufigsten antreffen und erlegen können. Schweisshunde werden oft genug auf Rotwildschweiss geprüft, aber entspricht das tatsächlich den Tatsachen, die dann auch im Revier herrschen?

Denken wir das ganze mal weiter, ich weiss nicht, wie oft es vorkommt, deshalb rede ich bei allem hier hypothethisch, der Hund hat alle Prüfungen bestanden, VSchwP, etc, erste schwierige Nachsuche mit Hatz und dem Stellen des Tieres. Packt der Hund? Sollten oder müssen Nachsuchenhunde nicht vorgängig auch ihre Härte beweisen und den Willen das Tier niederzuziehen und zu packen? Sicherlich steht das im groben Gegensatz zu dem, was wir heute in unseren weichgespülten Medien lesen und was die Politiker auf Stimmenfang verbieten wollen, denn schon das Apportieren der lebenden Ente wurde ja verboten. Dabei wäre das so wichtig, denn eine lebendige Ente verhält sich ganz anders im Fang, als eine tote. Der Hund muss den Schneid beweisen, dass er sie aufnimmt, obwohl sie quakt und flattert und sie sicher und sauber apportiert. Wir arbeiten mit böse gesagt mit dem Rohmaterial für Lebensmittel. Auch auf der Nachsuche, nach der langen Hatz ist das Fleisch sogar für Hundefutter unbrauchbar.
Sollten wir als Hundehalter und Hundeführer nicht mehr differenzieren, was wir brauchen anstatt dem Trend blindlings zu folgen? Als ich anfangs dachte, dass mein Deutsch-Drahthaar in unserem Gebiet völlig unbrauchbar wäre, habe ich viele Dinge nicht beachtet und bin heute froh darum, dass ich einen Vollgebrauchshund habe. Denn sie kann fast alles, ausser einschliefen. In unserem etwas hügeligen Gelände ist sie immer noch sehr gut unterwegs, dafür wäre sie im Gebirge gänzlich überfordert. Dort sind kleinere, leichte, wendigere Hunde viel besser aufgehoben. Wie die Schweisshunde, oder nicht? Es braucht viel Mut ein Tier, das schwer verletzt ist, zu packen und es so lang zu halten, bis der Hundeführer dazustösst und es abfängt.

Je länger ich mich mit dem Thema Jagdhunde auseinandersetze, desto öfter fallen mir Ungereimtheiten auf, warum zB gibt es Hundeführer, die ihren Hund mit dem geladenen Teletakt vorstehen lasen (der ohnehin in Deutschland verboten ist)? Wie kommt es, dass ein Setter eine geschossene Gans liegen lässt und trotzdem eine VGP Prüfung bestanden hat? Wie gesagt, ich bin noch keine Prüfung gelaufen, ich stehe in den Kinderschuhen, aber ich habe gerade die grosse Möglichkeit bei jemanden zu lernen, der seine Hunde so unglaublich ruhig und liebevoll, streng und konsequent erzieht, dass ich mir wünsche, es eines Tages vielleicht genau so zu können. Das ist ein fernes Ziel, ich bin noch lang nicht dort. Wenn der Hund gut eingearbeitet ist, dann muss er auf seinem Gebiet zuverlässig sein, sicher eine Prüfung ist ein Anhaltspunkt, aber gerade Nachsuchen... Müsste es dort nicht strenger reguliert werden? Jeder Hinz und Kunz führt ja heute seinen Fiffi "auf Schweiss", so im heimischen Revier, halt mal auf ne Nachsuche. Das macht mega viel Spass, ich mache das auch. Ich finde das völlig irre! Die Nasenleistung des Hundes gibt das sowieso allemal her und mit etwas Übung und Vorbereitung noch viel mehr sogar, aber ist bei der Nachsuche, wie auch im Apport nicht das Ende die ausschlaggebende Sache? Sauberer Apport, durchgearbeitet, heisst eben nicht, dass mir Bello am Ende die Ente vor die Füsse rotzt. Genauso muss der Hunde am Ende der Suche den Willen haben loszusprinten und das Tier zu packen und wenigstens zu halten oder abzutun. Dabei muss es egal sein, ob es ein Fuchs, eine Ente oder ein Fasan ist. Alles wird anständig apportiert, alles wird anständig gehalten.

Sollten wir nicht den Tatsachen ins Auge sehen und uns damit auseinandersetzen, dass wir uns manchmal selbst belügen? Sind manche Dinge, die wir auf Facebook lesen gar nicht so heroisch, wie wir meinen, sondern sind es einfach Selbstbeweihräucherungen, die schlussendlich gar nicht so gut waren? Müssten wir uns nicht alle etwas mehr an der Nase nehmen und uns gut überlegen, für was und für was wir unseren Hund eben nicht einsetzen?
Fragen über Fragen.... Ich hoffe, dass ich im Laufe eines langen Jägerlebens die ein oder andere beantworten kann.



Mittwoch, 23. September 2015

Jägerinnen und ihre Hunde

Ich bin innerlich immer noch im Soonwald, da gibt es natürlich eine Geschichte, die ich schon angetönt habe, die aber noch ausformuliert werden möchte. Jägerinnen und ihre Hunde. Nicht nur, dass die Mädels alle so richtig jagdlich angefressen waren, jedes Mädel blühte auf, hatte ich das Gefühl. Es waren wirklich anstrengende Tage, aber die meisten Bilder sehen superentspannt und happy aus. Nein, diese Mädels führen fast alle auch noch Hunde. Und wenn ich sage "führen" dann meine ich das so. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele Menschen kennengelernt, die so viel von Hunden verstehen und so eng mit ihnen zusammen arbeiten. Unglaublich!
Obwohl Hunde fast schon ein bisschen fehl am Platz waren, weil wir vorwiegend ansitzen waren und ansonsten im Schiesskino, hatten viele Mädels einen Hund dabei. Was sich aber nach und nach herausstellte, die haben alle mindestens noch einen daheim (oder auch fünf oder sechs).

Jeder Hund war jagdlich geführt und jedes Mädel hatte einen sehr guten Grund, warum genau diese Rasse sie begleitete. Die schlaue Jägerin mit der Bracke (und daheim Wachteln), weil sie eben viel Drückjagden und Stöberarbeit mit ihren macht. Weimaraner waren auch stark vertreten, sogar eine Züchterin, die ich ausquetschte, wie eine Zitrone, weil ich gemerkt hab, wie wenig Ahnung ich bei den Jagdhunden habe. Unglaublich, jeder Hund dort hatte wenigstens eine oder mehr Prüfungen durchlaufen (ausser mein Hohlbrötchen und der 19 Wochen alte Drahthaar), ich hörte all den Geschichten von Jagden, Nachsuchen und Ausbildung mit offenem Mund zu und hätte neben meinen 50`000 Fragen, die ich schon gestellt hab, noch doppelt und dreifach so viele fragen können.
Es war wirklich unheimlich spannend. Wie viel Zeit, Arbeit, Herzblut und Wissen in dieser Ausbildung steckt, konnte ich bereits im Ansatz erahnen, aber auf gar keinen Fall die geschickten und modernen Ausbildungsmethoden. Frauen jagen nicht nur anders, Frauen bilden auch ihre Hunde anders aus, die Hunde sind Begleiter und werden nicht bloss zu jagdlichen Arbeitshilfen degradiert, wie das von den Gegnern gern gesehen wird, sie sind wichtige Bestandteile im Leben und darüber definieren sich die Mädels auch ein kleines bisschen. Es ist nicht die Art Vergleich "Zeig mir deinen Hund und ich sag dir, wer du bist.", sondern viel mehr: Guck dir meinen Hund an und du weisst, wie ich jage und wie mein Revier aussieht. Jeder Ansatz war spannend und ich kann es kaum erwarten, denn am 11. Oktober treffe ich den allersüssesten Drahthaarrüden wieder und darf dort in der Hundeschule ein Training geniessen. Völlig irre. Wer hätte das gedacht?! Vor dem Wochenende war ich nämlich wirklich an einem Punkt, wo ich dachte, dass ich Freya vielleicht in den Griff, aber jagdlich sicher nicht sehr weit bringen werde. Die viele Gespräche haben mir richtig viel Hoffnung gemacht. Die ein oder andere hatte bereits einen ähnlichen Fall und konnte mir Mut machen. Natürlich ist es wahnsinnig viel Arbeit und ich brauche Geduld und Durchhaltevermögen, aber ich hab im Soonwald echte Vorbilder kennengelernt. So will ich auch jagen können, mit Hund und Waffe.
Nicht nur, dass man morgens ganz locker beim Frühstück sitzen kann und nicht gleich einen Herzinfarkt kriegen muss, weil eine Katze vorbeiläuft und der Hund anschlägt, nein, es ist so lustig zu hören, dass diese supersauber ausgebildeten Hunde manchmal auch ein Eigenleben entwickeln und zum Beispiel mit dem Napf im Maul vor Frauen stehen, das dann eben so perfekt dressiert ist, dass auch sofort Futter in die Schüssel wandert. Dort liegt eben der Unterschied zu den Herren, Frauen sind einfach mit Herz und Herzblut dabei. Viele Hunde schlafen auf oder wenigstens nahe neben dem Bett, ich glaube, es gab niemanden, der seinen Hund ausschliesslich im Zwinger gehalten hat.

Jagd ohne Hund ist Schund, selbst wenn man "nur" ansitzen geht, ein Hund gehört zur Grundausstattung dazu. Ohne Freya und ohne diese wunderbare Bracke hätte ich meine zwei Kitze niemals gefunden. Die Flucht war bei beiden so gering, aber sie liefen in die denkbar blödeste Ecke, wo der Schilf hüfthoch stand und man keine Chance hatte den Kitzen einfach so zu folgen. Die Anschüsse habe ich jeweils schnell gefunden gehabt, aber von den Tieren keine Spur.
Freya konnte ein Kitz ohne Mühe finden, war dann, weil es ihr erstes Stück mit mir war, aber so fixiert auf diesen Punkt, dass sie das zweite nicht finden konnte - und ich es ihr auch zugegeben nicht zugetraut habe. Aber die schlaue Jägerin mit der Bracke rettete mich, obwohl (ich atmete ein wenig auf) auch Anca Mühe hatte das zweite Kitz auf Anhieb zu finden. Eigentlich ist es nicht erstaunlich, denn Kitze riechen sehr ähnlich und auch nicht sehr stark.

Sonntag, 20. September 2015

Wahre Werte

Was macht die Jagd eigentlich aus? Wozu steht man nach wenigen Stunden Schlaf aus, rennt einen Tag schweisstreibend durch die Gegend und bildet seine Hunde in Fächern aus, die anstrengend und zeitraubend sind? Jagd ist nicht Spass im eigentlichen Sinn und daher vielen Nichtjägern nur schwer begreiflich zu machen, oft wird der Nahrungserwerb als Grund genommen, warum man jagen geht. Es gibt viele weitere, aber darauf möchte ich gar nicht zu stark eingehen. Um eine solche freiwillige Arbeit aufzunehmen, denn Jagd als Hobby zu diffamieren ist nicht korrekt, es ist eine ehrenamtliche Arbeit, für die man sehr viel Geld bezahlt, muss man schon sehr passioniert sein.
Je länger ich nun den Jagdschein habe, umso mehr probiere ich aus. Anfangs war ich nur in unserem Revier jagen, ich liebe das Revier, in dem ich einen Begehungsschein habe. Es ist weder besonders gross, noch hat es einen besonderen Wildbesatz, aber es ist einfach schön. Mit seinem Wasserfall, den vielen Vögeln, wunderbar. Aber nicht nur unser Revier, auch unser Team ist grandios, meistens, ab und an gibts halt mal eine Auseinandersetzung - gehört dazu. 
Nun mache ich meine ersten Schritte vor die heimatliche Tür und merke, es gibt so viel zu entdecken. Ich gehe gern auch einmal woanders jagen, die Frauenjagd war im Soonwald, ein weitläufiges Rotwildrevier, das nach deutscher Tradition mehrheitlich in Ansitzjagd bejagt wird. 
Nun hatte ich dieses Wochenende das grosse Glück in der Schweiz ein Revier besuchen zu dürfen. Das Jagdsystem ist ganz anders, sogar das Ausbildungssystem, vermutlich viel traditioneller, als in Deutschland. Als Jungjäger wird man von einem Lehrrevier ausgebildet, das dauert mindestens 2 Jahre, danach gibt es auch eine Prüfung. Auch das System in ein Revier aufgenommen zu werden ist anders, sehr viel politischer und mit einigen Ränkespielen verbunden. 

Was an beiden Wochenenden aber ganz genau gleich war: Jäger sind unglaubliche Menschen. Letztes Wochenende fuhr mich eine Jägerin einfach so quer durch die halbe Republik zu einem Krankenhaus, weil ich mir etwas blöd die Hornhaut gerissen habe. Wir kannten uns nur wenige Stunden, aber für sie war es glasklar und ich war über die Massen dankbar und bin es immer noch. 
Ich konnte im Soonwald zwei Bockkitze erlegen, das eine konnte ich mit Freya leicht finden, beim zweiten bekundete sie sehr grosse Mühe, der herbeigeeilten, schlauen Jägerin mit ihrer alpenländischen Dachsbracke musste ich nicht viel erklären, sie fand das Rehkitz. Es war sauber geschossen, lief aber noch wenige Meter in ein hohes Schilffeld, wo es unauffindbar war für mich. 
Dieses Wochenende durfe ich, wie gesagt, in der Schweiz jagen. Ein Traum, Entenjagd und ich durte auch noch Freya mitbringen, wobei ich von Anfang an betonte, dass sie noch kein ausgebildeter Hund wäre. Aber nicht nur, dass ich mit meinem Hund Enten jagen durfte, nein, ich wurde in eine wunderbar quirlige Familie aufgenommen, wo ich mich von Anfang so fühlte, als würde ich dazugehören. Es war so unglaublich herzlich, lustig, spannend, .... und noch so viel mehr. Einfach toll, ich konnte bei beiden Jagden meinen Erfahrungshorizont unglaublich erweitern. Vor beiden Jagden habe ich deutlich betont, dass ich Jungjägerin bin, im heimatlichen Revier wissen alle, dass ich die unerfahrenste Jägerin bin und trotzdem bekomme ich die Chance einfach mitzumachen. Ein Dorn im Auge einiger alter Jäger, aber unter den jüngeren Jägern mittlerweile gang und gäbe. Ich wurde zweimal unglaublich freundlich willkommen geheissen, trotz meines etwas Hundchens, der nicht ganz einfach ist und noch viel Ausbildung braucht. Es sind diese Menschen, mit denen ich "meine" Jagdwerte teile, es war gar keine Frage, dass wir das Kitz so lang suchen, bis wir es gefunden haben, wir konnten eine Ente nicht auf Anhieb finden, anstatt an einen anderen Ort zu fahren, wie es manch anderer gemacht hätte, haben wir alles daran gegeben diese Ente zu finden. 
Ich selbst würde mich als traditionelle Jägerin sehen, aber ich schätze die modernen Aspekte, die nun in die Jägerschaft hineingetragen werden. Es ist nicht mehr so steif, es wird mit Herz gejagt, Abschuss gehört zur Jagd dazu, sonst gibt es eben nichts zu essen, aber man lässt lieber den Finger gerade, wenn man nicht sicher ist. Die vermeintliche Geltgeiss, die wir auf der Pirsch sehen konnten, führte schlussendlich drei Kitze, die aber erst sichtbar wurden, nachdem die Geiss fortlief.

Jäger werden gern als schmerbäuchige, betrunkene Menschen dargestellt. Die meisten sind nicht mehr dick, aber Jäger sind Genussmenschen, es ist ein Genuss ein selbstgeschossenes Tier zu essen, weil man weiss, wie und wo es gelebt hat und wie es zu Tode gekommen ist. Meistens kann man sich auch die Frage nach dem warum beantworten.

So zeigen sich mir die wahren Werte der Jagd, ich habe die Menschen, denen ich während der letzten zwei Wochenenden begegnen durfte, nur via Facebook kennengelernt und bin einfach so in die Fremde gefahren und habe dort tolle Menschen kennengelernt, Erfahrungen machen dürfen, die ich nicht missen möchte. Würden wir untereinander alle so miteinander umgehen, dann hätten wir ein unglaubliches Potential.

Montag, 14. September 2015

Packliste für eine Jägerinnen Jagd

Wie der erste Beitrag bereits vermuten lässt, ich war gelinde gesagt, unvorbereitet auf das, was mich erwartete. Nicht nur ich, auch mein Köfferchen. Zum Glück gibt es auch hier unter den Frauen diese Engel, die dir in jeder Lebenslage aushelfen können und ihren Erfahrungsschatz auch gern teilen. 

Auf jeden Fall sollte man, wenn man in ein fremdes Revier fährt für jede Witterung Klamotten dabei haben. Verlasse dich niemals auf den Wetterbericht, sondern pack grosszügig ein. Grosser Fehler meinerseits. Nach diesem ersten Abend fuhren wir ja sofort zum Ansitz - die Mädels waren so drisselig wie bei der Ankunft der Chippendales. Unglaublich! Schnöder Ansitz? Nix da. Jede Jagd ist Passion. Deshalb sollte man auch möglichst diese Klamotten sofort griffbereit haben und sich auf gar keinen Fall schämen eine dicke Hose anzuziehen. Überhaupt ist zwar funktionelle Kleidung wirklich ein absolutes Muss, aber Dinge wie Rasierer und Schminke kann man getrost zu Hause lassen. Die paar wenigen Stunden Schlaf verbringt man nicht im Bad, obwohl ich einigen der Mädels durchaus zutrauen, dass sie sich ohne Spiegel perfekt schminken können, damit sie nach dem Morgenansitz direkt zum Job fahren können. Die sind so! Ich hätte das nie für möglich gehalten. Vielleicht muss ich sagen: Ich bin auch so. Ich werde so. 
Dinge wie: ein nicht jagdtaugliches Hemd, Jeans, Turnschuhe, schöne Schuhe, eigentlich alles, was der nicht-jagdliche Kleiderschrank (ich habe zwei, einen jagdlichen und einen unjagdlichen Kleiderschrank) hergibt, das kann getrost daheim bleiben. Meine beiden schönen Hemden hab ich nicht gebraucht, viel zu unpraktisch. Dafür sind ausreichend Jagdhosen wirklich ein grosser Vorteil, dicke Socken, bequeme Schuhe und Kleidung, die sich für Schichten eignet. 
Jägerinnen sind aber nicht nur praktisch, sondern sie sind auch Frauen. Aber sie definieren sich anders, ein modischer Schal mit Hirschi drauf, tolle Jagdhosen, die sowohl schön, wie auch praktisch sind, ein Statementshirt ("Ich schlag dich aus der Decke!" - Was angesichts eines Morgenansitzes mit Aufstehen um 04:50 ernst zu nehmen ist!), hübscher Jagdschmuck, ein tolles Pfeifenband, ein spezieller Waffengurt (pink, Loden oder Rucksack) an der Waffe, ein besonderer Rucksack, irgendetwas individuelles hatte jede Jägerin an oder um sich.
 
Um es vorneweg zu nehmen, ich war völlig schief ausgerüstet und habe fröhlich "Schüttel den Speck" auf dem Ansitz gespielt, sehr unlustig, das vergällt einem die Jagd. Zu meinem grossen Glück war die Betreiberin eines Onlineshops für Damenjagdbekleidung auch dabei (www.waidfrau.de ... mehr als empfehlenswert, denn die Beratung ist perfekt!), als Jägerin weiss sie einfach, was frau braucht und hatte das auch in ihrem Auto - auf unsere Anfrage- dabei. Von da an brauchte ich nicht mehr frieren. Wie genial! 
Diese Sache mit den Schuhen, die ist auch sehr lustig. Jägerinnen besitzen alle, ohne Ausnahme, die perfekten Wanderschuhe. Sie brauchen sie einfach, das beste daran ist, sie sehen darin einfach alle gut aus. Wenn andere Frauen beim Kaffee über Manolo reden, dann reden Jägerinnen vor dem Schiesskino über die perfekten Gummistiefel oder den Besohlungsservice von LOWA, der die geliebten, aber leider durchgelaufenen Schuhe retten kann- ähnlich wie der Puppendoktor früher. 
Komplettiert wird das Outfit durch das Auto, nicht bei allen, aber meine quirlige Zimmernachbarin mit ihrem Jimny war einfach DAS Paradebeispiel. Ich könnte in meinem Autochen nicht einmal ein Kitz bergen, die anderen Mädels packen den Hirsch locker in dein Kofferaum. Aber das Auto ist wie das Outfit, unaufgeregt, praktisch, aber trotzdem individuell und schön. 

Das ausreichend Munition und die Waffe dazugehören versteht sich von selbst, ebenso Fernglas, etc. Und auf jeden Fall eine gute Taschenlampe,  nicht, um die Toilette, sondern um das Reh nachts zu finden. U

Und wie gehts weiter? Jägerinnen und ihre Jagd. :) 



Sonntag, 13. September 2015

Heaven is a place on earth

Wir leben in schweren Zeiten. Flüchtlingsdrama, Krieg, Verunsicherung, ...Trotzdem sollte man die wunderbaren, magischen Momente dieser Zeit geniessen. Dieses Wochenende hatte ich 72 viel zu kurze Stunden einen dieser Momente. Ich war via Facebook, diesem speziellen Medium, zu einer Frauenjagd eingeladen worden. Anfangs war ich doch recht skeptisch, viele Mädels älter als ich (ok, das macht nichts, aber man weiss ja nie...), es machte den Anschein, als würden sich alle bereits kennen, alleine wollte ich nicht so recht hin. Kaffeeklatsch, Mädels und jagen?! Geht das? Ausserdem bin ich gerade so angefressen auf Wildschweine, soll ich da wirklich hin? Wo viele Frauen aufeinander treffen ist gern auch viel Zickenkrieg. Ach, hin- und hergerissen.... 
Schaden würde es aber sicher nicht, also warum nicht?

Am Freitagmorgen packte ich also hektisch meine Siebensachen, meine Woche war anstrengend gewesen und ich hatte das völlig verschlafen. Schnell zu meinem Partner in die Wohnung, Waffe holen, Lotti liess bei ihm, Freya, dieses anhängliche Wesen, durfte mit. Und dann los. 450 Kilometer Auto fahren, zwischendrin fragte ich mich schon, ob ich nicht gehörig einen an der Waffel hätte. Für zwei Tage so viele Kilometer reissen, aber naja. Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen. 
Ich fand mich so ländlich wieder, dass mein Navi mich drei Dörfer vor dem eigentlichen Gasthaus verliess und ich mich durchfragen musste. Endlich dort war ich auch erstmal alleine, keine andere Menschenseele um mich herum, ausser der Herbergsleiterin, die mit Blick auf meinen zotteligen Begleiter Hunde im Bett sofort untersagte. Och ne, die pennen bei mir doch immer im Bett. 
Kurze Zeit nach mir trudelte ein grüner Jimny ein, auf dem Dach ein Schlafaufbau, darin grauhaarige Dame, das passte irgendwie noch nicht in mein Weltbild und auch die schwierige Handtasche, die zu Frauen mit grauen Haaren gehört, hatte sie nicht dabei. Die Begrüssung, obwohl wir uns nicht kannten, war sehr herzlich. Wow! So will ich auch sein, wenn ich älter werde. Die Erwähnung von fünf Hunden ("Weisst du, einer ist halt nur Hund, der Rest ist aber jagdich geführt.") brachte mich erst recht zum Staunen, es waren nämlich nicht irgendwelche Hunde, sondern Weimaraner und ein Rauhbart.  Wie bitte?! Mein Kiefer fand sich das erste Mal auf dem Boden wieder, so quirlig und so nett hatte ich schon lang keine Dame mehr erlebt. 

Planlos, wie ich gern bin, heftete ich mich an ihren Jimny und wir fuhren zur Jagdhütte, eine nette Untertreibung für ein vollausgestattetes Haus in einem weiten Waldgebiet. Dort trafen wir auf die weiteren Mädels - wow, allesamt und jede eine einzigartige, passionierte Frau, gestandene und noch nicht so gestandene Jägerinnen und ich dazwischen. Die Begrüssung war herzlich, bei allen. Zickenkrieg? Böse Blicke? Meiden? Nö. Nicht einmal. Wow. klar kannten sich viele untereinander, aber das war eigentlich nicht weiter tragisch, der Rest wurde integriert. Fertig. Mir schwirrte der Kopf vor lauter Namen, wenn ich allerdings Stösschen und einen ruhigen Abend erwartet hätte- völlig fehl am Platz. Diese Mädels sind passioniert- und wie. Es gab hervorragendes Rehgyros, viel, viel Gelächter und spannende Gespräche, bis unser Jagdleiter sich erhob und verkündete, auf was wir jagen würden. Heute Abend, quasi sofort, mein Kiefer fand sich abermals auf dem Boden der Tatsachen wieder. ROTWILD???? Hatte ich das recht verstanden? Ich vergewisserte mich nochmals. Ja. Das, was mein Traum vom Jagen war. Genau dieses Rotwild, das ich seit Kindertagen staunend in jedem Tierpark betrachte und mich kaum losreissen kann. 

Alle brannten darauf loszufahren, wir wurden auf die Ansteller verteilt, ich war noch viel zu tüddelig und zu unorganisiert, um alles direkt griffbereit zu haben, also musste ich mich gehörig beeilen, um hinterher zu kommen. Mein Jagdteam bestand aus unserem genialen Ansteller, einer ganz frisch gebackenen Jägerin und einem Mädel mit dicker Hose (wie ich sie in dem Augeblick noch etwas mitleidig anschaute und circa dreissig Minuten später für ihre weise Voraussicht bewunderte) mit einer Dachsbracke, die mich an Lotti erinnerte, klein, wurstig, eigen und einfach zum Liebhaben - später an diesem Wochenende waren es genau diese Dachsbracke und diese schlaue Jägerin, die mir riesig helfen würden. Die ich, obwohl ich sie kaum 72 Stunden kannte, fest ins Herz schliessen würde, wie viele der anderen Mädels auch. 

Dazu und den anderen Abenteuern, die ich erleben durfte bald mehr. 

Samstag, 29. August 2015

Schweinesonne

Ich gebe es ganz offen zu, das mittlerweile faszinierendste Tier (neben Rotwild, aber das haben wir bei uns nicht im Revier) sind Wildschweine. Wildschweine sind unglaublich. Wirklich. Ich habe schon so manchen Schweinekontakt auf Drückjagden gehabt, diese Tiere sind faszinierend. Mittlerweile kann ich durch den Wald laufen und man riecht sie förmlich, wirklich sehen kann man sie aber nicht. Wildschweine sind wohl das Cleverste, was hier herumläuft, dagegen ist ein Fuchs ein Dummchen - und die sind schon ziemlich schlau.
Nicht nur ihre enorme Anpassungsfähigkeit, sie nutzen die ökologischen Nischen perfekt aus und vermehren sich praktisch ungehindert - wir Jäger können da nur den Hut vor ziehen - nein, auch ihre unglaubliche soziale Struktur macht sie zu etwas besonderem. Wildschweine sind wehrhaft, hierarchisch und gleichzeitig liebevoll mit ihren Frischlingen, wobei da auch gerne mal ein frecher Frosch über die Kirrung fliegt.
Der geneigte Leser hört es bereits. Ich bin fasziniert. Mehr als fasziniert, ich bin ein bisschen verliebt.
Nun hatte ich meine ersten zwei ernsthaften Schweinekontakte mit Waffe, das Gefühl, wenn die Schweine anwechseln ist schlicht irre. Gestern Abend hatte ich mich -mehr schlecht als recht- auf meinem Hochsitz zurechtgefuckelt, den grossen Hund auch noch irgendwo verstaut, alles ziemlich klappersicher irgendwo hingelegt, wo ich die wichtigen Dinge schnell finden konnte, es war ganz schön eng. Irgendwie hatte ich es geschafft meine Wenigkeit auf dem Stuhl so zu placieren, dass ich die Augen zumachen konnte und auch Freya, die mittlerweile eine ziemlich tolle Begleiterin ist, schlief tief und fest und träumte von Hasenjagden oder dergleichen.

Wie dem auch sei, man schläft im Wald nie wirklich tief (ausser auf der Schlafkanzel, aber das ist eine andere Geschichte) und ich hörte es knacken. Igel, ganz sicher Igel. Aber das Grunzen wollte so gar nicht zu Igeln passen. Komisch, als Jungjägerin lasse ich mich noch allzu gern aufs Glatteis führen. Peltor leise aufgesetzt, Waffe aber stehen lassen, Fernglas hochgenommen, obwohl das Licht des Mondes an meiner Kirrung mehr als genug war, um alles zu sehen, was sich im Licht des Mondes befinden würde. Alles ausserhalb wäre sehr schwer anzusprechen und damit für mich nicht erreichbar. Einen Fehler möchte ich mir nicht erlauben, einen Fehlschuss oder dergleichen, deshalb lasse ich den Finger lieber gerade, ehrlich gesagt.
Auf einmal stand sie da. Wie ein Scherenschnitt aus schwarzem Karton, ein Wildschwein. Ein ziemlich Grosses sogar. Freya war unterdessen aufgewacht, verhielt sich aber völlig still, gutes Mädel. Ich nahm leise meine Waffe auf, die Sau stand breit und sicherte über die Kirrung hinweg. Zu dem Zeitpunkt konnte ich das Tier noch nicht korrekt ansprechen, sprich, ich war mir unsicher, ob es sich um eine Bache oder einen Keiler handelte. Wie von meinem Jagdherren immer wieder gehört: Lass dir Zeit, warte ein paar Minuten ab. Es waren viele, viele lange Sekunden, Relativitätstheorie in der Praxis. Ich konnte es hinter dem grossen Schwein knacken hören. Als Jungjägerin bin ich noch nicht geübt darin zu unterscheiden, ob da weitere grosse, oder viele kleine Schweine kommen. Der kleine rote Punkte leuchtete unterdessen perfekt auf das Blatt des Schweins. Abziehen? Warten? Ich entschied mich für Warten, denn da war ja noch was im Busch. Langsam zog die Sau über die mondbeschienene Kirrung, so langsam, dass ich weiterhin versucht war abzuziehen, die Waffe war längst entsichert. 4mm und etwas Abzugsgewicht "meiner" geliebten Voere trennten das Tier vom Tod, für den Moment pardonnierte ich es. Aber?

Dann ging es rasend schnell, auf einmal war die ganze Kirrung voll mit kleinen Schweinen, 10-12 konnte ich zählen, und noch ein zweites, grosses Schwein dabei. Zum Glück war ich so geistesgegenwärtig und habe es verschont, ich hätte die Leitbache weggeschossen, die Frischlinge waren nicht mehr gestreift, es wäre kein Jagdvergehen gewesen, für das man mich vor Gericht hätte belangen können, aber eine erfahrene Bache ist Gold wert. Es gilt solche Tiere zu verschonen. Ich war einerseits kurz erleichtert und dann erst richtig angespannt, im Peltor konnte ich neben den schmatzenden Schweinen meinen Herzschlag hören, von Müdigkeit keine Spur mehr, Adrenalin rauscht durch den Körper, das Herz schlägt höher, Jagdfieber. Die schlaue Bache führte ihre Frischlinge genau auf den dunklen Schatten der Kirrung, wenn sich einer schnell -zu schnell für eine unerfahrene Jungjägerin- auf die hellen Flecken verirrte, wurde er zurückgegrunzt. Die ganze Zeit hatte ich die Waffe bereit im Anschlag, es war klar, dass es den kleinen Frischlingen galt und ich wartete -innerlich ungeduldig- äusserlich still, fast schon mit angehaltenem Atem auf meine Chance.

Sie kam nicht, die Bache war zu schlau und zeigte ihren Kindern, wie sie sich in einer Vollmondnacht verhalten müssen, um den nächsten Tag zu erleben. Eine halbe Stunde hörte ich sie schmatzen und wühlen, schubbern und quieken. Fast schon unerträglich. Keins machte einen Fehler, die Türmchen der Kirrung mit etwas Mais darunter, die wohlweislich genau im Mondlicht lagen, blieben unberührt.  Ich konnte sie immer wieder kurz sehen, aber es stand nie eines so breit, dass ich zum Schuss kam. Auch das ist Jagd. Das stachelt an.

Ich bemerkte meinen Fehler zu spät, weil es so unerträglich heiss in der Kanzel war, als wir aufbaumten, hatte ich zwei Fenster geöffnet, als die Sauen anwechselten stand mir der Wind perfekt im Gesicht, auf einmal spürte ich ihn links im Gesicht und damit ging ein Luftzug durch meine Kanzel. Man sagt, dass Schweine nicht gut äugen (sehen), aber sehr gut winden (riechen). Die Bestätigung dafür erhielt ich an diesem Abend. Vermutlich war es die Melange aus Hund und Mensch, die der Bache verriet, dass sie gerade alle mit dem Leben davon gekommen waren, mit einem empörtem Blasen und lauten Geraschel waren alle in Windeseile verschwunden. Wie Schatten.


Montag, 24. August 2015

Hund verschwunden...

Freya war ziemlich böse weg, fast 3.5 Stunden.... Was ist passiert?

Zuächst: Wie man einen Hund suchen sollte, der im dichten Wald "abgehauen" ist: Warten (bis zu 1. Stunde), falls zu lang, Decke, Rucksack, Kleidungsstück hinlegen, Auto auf dem Parkplatz öffnen und warten. Ja, einfach warten.... Hätt ich das so gemacht, ich hätte meinen Hund innert 30 min wieder gehabt. Das wichtigste: trust your dog. Dem Hund vertrauen, dass er wieder kommt. Es sind Jagdhunde, die kommen wieder. 

Freya und ich sind gerade dabei einen guten Weg in Richtung "freilaufen ohne Leine" zu finden und ich war jeden Tag positiv und positivster überrascht, wieviel dieser Hund begriffen hat und wie eng ihre Bidung ist. Aber wieso passiert dann so ein Mist?
Ganz einfach....

Wie man einen Hund NICHT suchen sollte:
Entferne dich kopflos nach 10 Minuten von dem Platz, wo der Hund verloren ging, gehe dabei auf keinen Fall auf dem eigentlich bekannten Pfad, sondern denk dir: Mistkröte, jetzt verarsch ich dich erst recht und geh ganz woanders lang. Tu das möglichst in einem Waldstück, wo es viele verschlungene, kleine Wege gibt, die sehr unübersichtlich sind. Vertraue deinem Hund auf gar keinen Fall, dass er clever genug ist, dich zu finden, gib ihm auch möglichst keine Zeit dazu. 
Wenn dir die Zeit dann doch zu lang vorkommt, geh auf irgendeinem Weg, der nicht der ist, wo ihr euch verloren habt, auf und ab und ruf dort ein bisschen. Pfeife auch. 
Unterdessen wird der Hund bereits krampfhaft nach dir suchen:"Öööh, also ich hab ihren Hund vor 10 Minuten da hinten auf dem Weg gesehen, er kam schnell, ist dann aber wieder weg." Sind Aussagen, die du ernst nehmen solltest. Kein Hund, der ein Reh hetzt, läuft auf dem Weg. Aber nein, anstatt dein Auto zu öffnen und wenigstens am Parkplatz zu warten, lauf hin und fahr weg. Zum nächsten Bauernhof, um den Bauern um Rat und Hilfe und bitten. Lass dein Auto dort stehen und fahr mit dem Traktor weiter. Am besten ans andere Ende des Reviers, wo unterdessen der Jagdpächter, den du pflichtbewusst informiert hast, mit einem Gator auf dich wartet. Steige vom Traktor in den Gator. Dieser Spurwechsel wird deinen Hund in spätestens 15 Minuten sehr verwirren. Denn dann taucht er dort auf, es sind natürlich alle Spaziergänger informiert, die Info kommt per Telefon. 
Natürlich wirst du deinen Hund so nicht finden, aber das Gefühl durch ein 1000ha Revier zu fahren ist 1. cool und 2. tut man aktiv etwas, um den Hund zu finden (nein, nicht wirklich, aber egal. Aktionismus ist prima!). Unterdessen hat der supernette( nein, völlig ohne Ironie, der war echt genial!) Jäger seine Jagdkollegen verständigt. Gib diesen vorsorglich den Rat genau so zu pfeifen, wie du es tust, um deinen Hund mit 4x dem gleichen Pfeifton im Revier weiter zu verwirren, nur so gewinnst du das Versteckspiel. Unterdessen haben wir gemeinsam das ganze, wunderschöne Revier angeschaut, ein bisschen über Hunde gequatscht und gemeinsam befunden: Mehr können wir nicht tun, wir sind alles abgefahren. Der Hund wurde unterdessen aber immer mal wieder gesichtet, nur wir haben ihn NICHT gesehen (Komisch, aber so funktioniert verstecken, wenn du nicht willst, dass dich jemand findet, such ihn...). Ein guter Tipp ist auch: Lass möglichst Fremde deinen Hund suchen, ruf bloss niemanden an, den der Hund kennen könnte, sonst endet das Spiel zu schnell und der Hund wähnt sich in Sicherheit.
Nachdem wir befunden hatten, dass es so einfach nicht werden würde und das arme Hundchen wohl draussen übernachten müsste, beschloss ich kurz heimzufahren, um zu schauen, ob sie dort wauf mich wartete, dabei hatte ich so viele, tolle Spuren im Revier hinterlassen, dass sie eigentlich beschäftigt war. 

Aber es wurmte mich dennoch, Freyas Art war es eben gar nicht einfach so zu verschwinden, sie hatte mich auf jedem Spaziergang mit noch so viel Wild immer wieder gesucht und probiert den Kontakt mit mir aufrecht zu erhalten, nach vier Monaten ist ihre Führerbindung schon sehr stark. Also bin ich wieder hoch, auf den Parkplatz, wo wir den Spaziergang gestartet hatten. Dort fand ich, völlig erledigt auf "meinem" Parkplatz liegend, meinen Hund vor. Sie sprang mit eingezogener Rute, zitternd, durchnässt, dreckig und voller Kletten in mein Auto und rollte sich auf der Rückbank zusammen. 

Ich muss sagen: Ich habe noch NIE so kopflos gehandelt, es ärgert mich, dass ich mich nicht an die elementarsten Regeln gehalten habe. Allerdings: Ich war besorgt, wäre eine Untertreibung meines Gemütszustandes gewesen. Ich war ausser mir, in der Nähe zwei gefährliche Strassen, der Wald unübersichtlich dicht und daneben grosse Maisfelder mit sicherlich einigen Wildschweinen darin. Ich hatte alle Horrorszenarien im Kopf, die man sich ausmalen kann. Auf dem Memo an mich steht: 1) das nächste Mal: bleib ruhig 2) übe mit Freya IMMER an deinem Rucksack Platz zu machen und zu warten, bis ich komme 3) sei froh, dass dein Hund clever ist und 4) TRUST YOUR DOG! hätte ich ihr vertraut, dass sie mich findet, wenn ich dort bleibe, wo wir uns verloren haben, dann wäre das ganze in 10-20 Minuten gegessen gewesen. 
So haben wir einen Abend lang ein sehr gefährliches Versteckspiel gespielt. 

Freya ist immer noch völlig von der Rolle und lässt mich keine Sekunde aus den Augen, nicht einmal Katzen auf der Strasse werden grossartig beachtet. Armes Mädel. 


Dienstag, 21. Juli 2015

Wozu Erlegerbilder?

Das Bild, schlimmer wies es nicht sein könnte. Ein gerade geschossener Bock mit Zigarette im Äser, daneben eine militärisch anmutende Waffe und ein nichtmal annähernd lustiger Text. So fanden es viele Jäger, die ebenfalls auf Facebook unterwegs sind, heute vor. Natürlich geht das Bild sofort durch alle Kanäle, in alle Gruppen, auch zu den Feinden der Jagd, denen das natürlich Wasser auf die Mühlen bedeutet. Ich frage mich schon seit längerem wozu ich eigentlich jeden Morgen, wenn ich meinen FB Account öffne, erstmal mindestens 10-15 Erlegerbilder vorfinde. Was soll das? Ich kann die Freude über einen Abschuss nun nachvollziehen, es ist ein unvergleichgliches Gefühl, jedenfalls war es das für mich. Freude, Trauer, Ehrfurcht, Ehrgeiz, und noch einige Gefühle, die in der heutigen Welt keinen Namen mehr haben, treffen sich zu einem Cocktail, der das Herz höher schlagen lässt. Natürlich muss die Gemeinde davon erfahren, das verstehe ich! Ich habe auch sofort meine Jagdgeschichte verfasst, weil es das Medium ist, das mir am meisten zusagt. Aber ein Bild habe ich nicht gepostet. Nein, wozu?  Wem dient es? Mir, weil ich dann besonders viele "likes" bekomme, die mein Dopaminzentrum noch eine Weile länger auf Kurs halten. Diese morgendlichen Erlegerbilder spiegeln nämlich die jagdliche Wahrheit in Deutschland gar nicht wieder, sie gaukeln den Gegnern eine Realität vor, die es so nicht gibt. Jäger geht raus, sieht nach 10 min ein Schwein, packt ein und geht heim. So einfach ist das nicht. Ich sass gestern Abend auch am Mais, versteckt auf einem Dreibein, was habe ich gesehen? Zwei Füchse und Sternschnuppen, vier Sternschnuppen, so viel Zeit, um in den Himmel zu schauen, hatte ich schon lang nicht mehr. Ich hab das Aufgehen der Sterne gesehen, diesen funkelnden Vorhang, der uns umarmt. Wunderschön! Sind es nicht diese Momente, an die uns ein Erlegerbild erinnern sollte? An die Mühe einer Pirsch, an das Herzklopfen vorm Schuss, an das Zittern danach, das ist zusammengefasst in einem oftmals schlechten Bild. Das sehen die Gegner der Jäger nicht und auch der breiten Öffentlichkeit ist das schwer verständlich zu machen. 

In diesem Fall, der heute morgen gepostet wurde, stört mich nicht nur das offensichtliche Verstossen gegen die ungeschriebenen Traditionen und Werte der Jagd, die nicht einfach nur tradiert sind, um Jäger zu ärgern. Der letzte Bissen wurde zum Beispiel dafür benutzt, dass in einer Zeit ohne Landis mit Seilzug das Tier nicht in den Rucksack blutete (wenigstens nicht aus dem Äser), so hat es mir mein Prüfer erklärt, der Bruch wurde als Erkennungszeichen für den rechtmässigen Schützen verteilt. Ja, heute bräuchten wir das nicht mehr, aber manche Dinge gehören einfach dazu, vielleicht waschen sie mit der Zeit aus, aber der gewollte Bruch mit der Zigarette geht mir deutlich zu weit. Vielmehr stört mich der Umgang mit dem Tier.  Ich sass sicher 20 Minuten neben "meinem" Bock, wie wenig Mitgefühl und wie wenig Respekt und Verantwortungsgefühl zeigt man gegenüber einem Tier mit dieser Zigarette? In einer Welt, in der wir soziale Kontakte gegen asoziale Netzwerke tauschen, zeigt ein "Jäger", eigentlich der Hüter des Wildes -so er es denn versteht- nicht mehr Mitgefühl mit diesem Tier, als ein Hundebesitzer, der seinen geliebten Hund im überhitzten Auto sterben lässt. Wo sind Mitgefühl und Respekt bei diesem Menschen gelandet? Zu welchen Taten ist jemand fähig, der sich so leichtfertig über das ihm anvertraute Wild lustig macht, die Pietät des Todes missachtet? Wie wenig zählt das Leben eines Tieres -und sei es der geringste Bock- für so eine Person. 

Ohne Frage ist dieses Erlegerbild furchtbar, aber ich frage mich trotzdem - können wir unsere  Erlebnisse, dazu gehören nunmal auch die Abschüsse, nicht anders präsentieren? Ein schönes Erlegerbild, professionell gemacht, weil man einen Pirschführer hatte und sich ein besonderes Geschenk gemacht hat, warum nicht. Aber diese "gestern Abend hats wieder gepasst"-Mentalität mit verwackeltem Handybild.. Ach bitte. Das muss nicht sein. 

Sonntag, 19. Juli 2015

Der erste Bock

Zugegeben, ich habe lange darauf gewartet, heute Abend hat es gepasst - ich habe meinen ersten Rehbock erlegt. Nach der bestanden Jagdprüfung war ich zunächst nicht fleissig genug draussen - zu wenig Zeit, aber dann. Selbst gemerkt, immer an den unmöglichsten Stellen, aber jagen lernt man auch wirklich nicht in der Schule, man muss es tun. Wind? Hat auch nicht immer gepasst, da war so vieles, das man irgendwie wissen sollte und dann doch erst rafft, wenns wirklich soweit ist.. Ich habe Böcke gesehen, die aber zu weit weg waren, oder das Gras zu hoch, oder was auch immer. 

Heute Abend hats gepasst, dabei war das eigentlich gar keine so gute Idee - ich war zu spät dran, aber irgendwie war mir nach "ab nach draussen" -  in dieser Zeit kann ich immer herrlich abschalten, ich habe immer ein Buch dabei, das ich allerdings selten lese, meinen obligatorischen Pfefferminztee hatte ich vergessen. Ach egal, ein Stündchen lesen, oder zwei und dann abbaumen. Das ist perfekt. Es war so richtig heiss, die Rehe würden sich also erst spät zeigen und wenn überhaupt, davon war ich eigentlicht fest überzeugt, wieder nur Geiss und Kitz. Den ersten Bock wollte ich eigentlich blatten. Also begann der Abend reichlich unspektakulär, ich hatte nicht einmal ein Eichhörnchen im Anblick und spielte etwas selbstvergessen mit meinem Handy herum und las ein wenig. Eigentlich verfluchte ich mich, denn in meinem langen Shirt war mir wahnsinnig heiss, aber was tut man nicht der Tarnung zuliebe und gegen Mücken - so ein Bad im Rhein, das wäre sooo viel cleverer gewesen. Aber jagen macht süchtig, besonders, wenn man immer so schönen Anblick hat, wie ich bisher immer hatte, auch wenns nie gepasst hat. 
Immer wieder hab ich mit meinem Fernglas den Waldrand abgesucht, nichts, nichts und wieder nichts. Aber dann, auch einmal, zwei braune Flecken - die beiden hatte ich nicht gehört, obwohl es so manches mal im Unterholz geknackst und geraschelt hat. Beide gleich gross... Naaa.... Da narrt mich doch wieder jemand. Fernglas hoch. Und lang angesprochen, weil ich mir erst nur die Geiss angeschaut hatte. Ein wunderschönes Tier. Dann zum zweiten Tier, ihr vermeintliches Kitz. Die Hitze konnte mir nicht gut tun, Kitze haben kein Gehörn. Aber das war da, ganz deutlich. Ich hab geschaut und geschaut, um wirklich ganz sicher zu gehen. Je länger, umso stärker klopfte mein Herz, komischerweise waren meine Hände völlig ruhig, aber mein Herz, den Herzschlag mussten die Tiere hören, aber sie blieben ruhig stehen und ästen ohne zu sichern. Waffe hoch, Anschlag, Zielfernrohr eingestellt, wie in der Jagdschule gelernt. Beim Schreiben dieser Zeilen fängt mein Herz wieder an zu klopfen. Waffe entsichert, nochmal geprüft, ob die Geiss weit genug entfernt steht, gewartet, bis der Bock wirklich ganz breit stand. 

In dem Moment, als mein Finger sich beugte überraschte mich der Schuss selbst, ich hatte offenbar ausgeatmet und gleichzeitig - wie im Training - den Finger gekrümmt, als der kleine rote Punkt genau auf dem Herz des Böckchens stand. Wie gelernt schaute ich gebannt auf das Tier, es lief weg, als wäre nichts gewesen, Kopf hoch - ohjemine, das hatte ich anders gelernt. Nachrepetiert, und gesehen, wie der Bock nach wenigen Sprüngen plötzlich umfiel. Danach finde mein ganzer Körper an zu zittern, alles gut, sitzen bleiben, dem Tier Zeit lassen zu sterben. So hatten wir es in der Jagdschule gelernt. Nichts regte sich, nur die Geiss stand im Wald und schreckte. Furchtbar lang, laut. Rehe sind ja Einzelgänger, aber ich bilde mir ein, dass es ein Klagelied war. Ich möchte mir das einbilden dürfen. Zitterig wie ich war schloss ich die Fenster der Kanzel , warum auch immer, und baumte ab. Ich nahm nur meine Waffe mit, mein Ziel ganz klar, zu dem Bock hin. Um mich zu entschuldigen beim Tier, um einen Moment innezuhalten. Mir ist bewusst, dass dieser Abschuss gerechtfertigt und richtig war. Trotzdem liegt dort ein Tier zu deinen Füssen. Ganz frank und frei, ich habe mehr als eine Träne vergossen, einem Tier das Leben zu nehmen sollte nichts alltägliches werden. 

Mit dem Mann an meiner Seite gab es natürlich das obligatorische Erlegerbild, ich habe mir überlegt, ob ich es posten möchte. Nein, ich werde es für mich behalten, es war so ein privater Augenblick, das erste Mal "Waidmannsdank" sagen und dabei die Freude des anderen spüren. Unnachahmlich. 

Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust, das Fleisch wird wahnsinnig lecker sein, es wird wieder Platz für all die Kitze und jungen Böcke geben und  trotzdem ist es ein Individuum, dessen Leben ich durch meine Hand ausgelöscht habe. Ob ich stolz darauf bin? Nein. Stolz wäre das falsche Wort, ich freue mich, dass ich offenbar mittlerweile begreife, wie Jagd funktioniert - und doch gibt es noch so viel zu lernen. Ehrfürchtig wäre zu pathetisch. Genau wie das Bild und den Bruch werde ich die Trophäe, sprich das Gehörn dieses Bockes in Ehren halten. Ich werde ihn mir an die Wand hängen, um diesen Abend und dieses Gefühl nie zu vergessen. Ich möchte mich an den Anblick dieses Tieres auf der Wiese erinnern können, dafür steht für mich die Trophäe. 

Meine beiden Mädels waren da bedeutend schmerzbefreiter, sie haben sich ungemein über den Pansen, Herz, Milz, Nieren und Leber gefreut, schliesslich haben sie all die Stunden auf dem Ansitz brav auf mich gewartet, das war mein Dankeschön. Wenn es nach ihnen ginge, dann könnte ich morgen gleich weitermachen. 

Waidmannsdank. 

Mittwoch, 8. Juli 2015

Die Amazonen

Jägerinnen sind eine ganz besondere Sorte Frau, wir sind hart im Nehmen, wissen, dass wir uns behaupten müssen und gleichzeitig repräsentieren wir die feminine Seite der Jagd. In ein Klischee kann man uns nicht drücken, wir sind selten dick (warum, dazu komme ich gleich), sportlich, ambitioniert und genussvoll. Wir sind einfach unglaublich :)
Viele Jägerinnen sind oder waren ebenfalls Reiterinnen, bei näherer Betrachtung fällt das gleich auf. Warum? Ich vermute, dass es etwas mit dem Biss zu tun hat. Männer sind meistens ja sowieso ambitioniert, wer schiesst den schönsten Bock? Wer kriegt am meisten Schweine, wer pirscht am besten. In den Mädelsforen wird das nur peripher diskutiert. Ich freu mich immer, wenn die anderen Mädels etwas erjagen können. Aber Reiterinnen und Jägerinnen haben Biss es durchzusitzen, zu warten, Geduld lernt man auf dem Pferd, wenn man schon hundert Mal unten lag und es immer noch nicht aufgibt. Biss sowieso. Irgendwann kommt der Bock. Der Moment kommt, wo du dich auf dem bockenden Pferd halten kannst (Haltungsnoten gibts ja nicht). So einfach. Jede Reiterin weiss das, jede Jägerin auch. 
Ausserdem sind sowohl Jägerinnen als auch Reiterinnen gewohnt, dass sie dumme Sprüche kassieren, von Männern, Frauen, anderen Reiterinnen, Menschen, die nicht reiten, wie mans macht, man macht es sowieso nicht richtig "Wieso bist du so viel beim Gaul?" "Wieso gehst du so oft zur Jagd?" "Du Tierlitöterin" "Du Tierquälerin, das arme Pferd" ""Ich mag Pferd am liebsten mit Kräuterbutter!" "Möchtest du mir mal den Boden vor deinem Waffenschrank zeigen?"...... Jaaaa...... Wir können darüber lachen und im Stillen "Ar****" denken. Jagdgegner? Nicht schlimmer als ein lästiger Schnupfen, wir kennen eure "Argumente", wisst ihr was? Es kratzt uns nicht, wir haben jahreland mit anderen, zum Teil sehr viel missgünstigeren Weibern im gleichen Stall geritten, dagegen sind eure Hasstirade eine Pusteblume.

Nur Weiber können anderen Mädels das Leben zur Hölle machen. Da liegt der Hund begraben, irgendwann haben die coolen Mädels die Schnauze voll von Zickenkriegen. Deshalb ziehen unsere Pferde auf Weiden oder in Ställe, wo die Frauenmaximaldichte bei 2/ha liegt. Das ist vollkommen akzeptabel. Da wir bereits jahrelang Erfahrung darin haben, wie es ist unter Frauen/Mädels/Weibern zu sein, suchen wir uns also eine Beschäftigung, die dem Reiten maximal ähnlich ist, aber trotz allem so wenig wie möglich Frauen beinhaltet. Jagen. Jagen ist die Antwort auf die Frage: Wo kann ich auf hohem Niveau mit Tieren (Jagdhunden) arbeiten, meine Ruhe finden, anstrengenden Sport treiben, der nicht in einem Zimmer mit anderen schwitzenden Weibern stattfindet, mein kluges Köpfchen einsetzen, ab und an gepflegt einen über den Durst trinken, der Natur nah sein und vielleicht sogar etwas für die Umwelt tun. Genau. Da sind wir. Jagen. Natürlich beinhaltet es noch, auch ganz Amazone, die Essensbeschaffung, wobei ich bei meinem Glück derzeit Vegetarierin sein müsste.


Reiterinnen bringen ausserdem eine ganz wichtige Eigenschaft zur Jägerei mit. Uns ist nämlich bewusst, dass Wetter oft ein fieser Begleiter ist. Wir wissen, dass nicht alles so hübsch rosa ist in der Wetterwelt, wie uns der Wetterdienst weissmachen will. Wir wissen, dass Neuschnee nicht heisst, dass man durch eine leicht wattierte Welt geht - bei Sonnenschein und blauem Himmel, sondern wir wissen, wie fies nass und kalt Neuschnee ist, wenn er den Schal durchweicht hat. Wir wissen, wie wir uns anziehen müssen, damit wir im Schrittausritt nicht auf dem Sattel festfrieren und welche Handschuhe die wärmsten sind. Wir wissen, dass wir auf Drückjagden mindestens noch 4 mal Wechselklamotte dabei haben müssen, weil Männer Frauen nicht schonen. 2 Kilometer Fichtenschonung mit Brombeerbewuchs? Hei Mädels, das ist euer Trieb! Haha! Kleinere Blessuren nehmen wir ohne mit der Wimper zu zucken hin und wir kennen die Vorteile von wasserfester Mascara, nicht weil wir heulen, sondern weil wir schwitzen. Reiterinnen wissen bereits vor dem ersten Sommeransitz, welches Mückenmittel besonders gut hilft (das ist nämlich von Haut zu Haut verschieden) und wie sehr die Bisse von Pferdebremsen weh tun (und das sie selbst durch Jeans stechen, diese Biester). Die Ration Quark liegt bei richtig fiesen Stichen griffbereit im Kühlschrank.

Wir erkennen Gangabnormalitäten bei allen Waldtieren sofort, denn wer ein lahmendes Pferd erkennt, der weiss auch, wie ein lahmendes Reh aussieht. Wir wissen, dass man im Frühjahr von plötzlichen Kälteeinbrüchen immer dann heimgesucht wird, wenn man garantiert nichts Warmes zum Anziehen dabei hat und beugen dem bereits im Ansatz vor. Reiterinnen haben ebenfalls keine Scheu vor allerlei "ekligen" Dingen. "Komm, wir helfen beim Hufabszess ausschneiden", wer den Spruch einmal überlebt hat, der kann auch locker aufbrechen, ohne dass sie umfällt. Was unsere werten Mitjäger nicht wissen, Reiterinnen wissen, wie man in 5 Minunten einen Hengst im Stehen kastrieren kann. 
Ausserdem sind wir -obwohl ihr die Bilder von uns im ladypinken Turnierdress gesehen habt- längst keine Tussen. Oder meint ihr etwa, dass wir die Boxen unserer Pferde nicht selber sauber machen können? Wer schon einmal versucht hat einen Hengst an einer rossigen Stute vorbeizuführen, oder einen lahmenden Gaul im Winter auf Anraten des Tierarztes in der Box mit 5 Minuten Schritt pro Tag gehalten hat, der hat auch keine Angst vor einem Wildschwein.

Reiten ist ne prima Sache, aber nur die tollsten Reiterinnen werden Jägerinnen, echte Amazonen. Habt ihr jetzt auch verstanden, richtig?! 

Freitag, 19. Juni 2015

Einarbeitung im Sauengatter

Ein wichtiges, oder vielleicht mein wichtigstes Thema ist die Hundearbeit, wenn es um Jagd geht. Jagd ohne Hund ist Schund und dazu stehe ich auch. Im dümmsten Fall muss ich ein bisschen bei der tatsächlichen Jagdausübung zurückstecken, um dafür toll ausgebildete Hunde zu haben. Vor sieben Wochen ist Freya bei mir eingezogen, eine Deutsch-Drahthaar Hündin, die vorher ein fieses Leben im Zwinger gefristet hat und naja, es kommt immer anders, als man denkt. Sie ist ein bisschen zu stürmisch, ein absoluter Arbeitshund, deren Motivationsspritze ich derzeit suche (oder bereits gefunden habe, mit der ich aber noch nicht so viel anfangen kann.. ein ander Mal mehr dazu). Eule oder Trine, wie sie im Hausgebrauch heisst, ist nämlich scharf wie Nachbars Lumpi. Bei Lotti, meiner Beagleine weiss ich ja, auf was ich mich einlasse. Ich kenne sie, seit sie 8 Wochen alt ist und kenne ihre Schliche und ihre "Schärfe" am Wild. Sie ist eine richtige Schubserin, sie schubst gerne Rehe und weniger gern Schweine. Sie liebt Nasenarbeit und rastet fast aus, wenn es zur Drückjagd geht. Mit Schweinen würd sie sich nie anlegen, da bin ich mir immer sicher gewesen. Freya hingegen ist eine Wundertüte. Bevor ich also viel Zeit und Geld in Schweisshundekurse stecke und sie am Ende nichts dümmer findet als Wildschweine, fühlte ich mich dazu aufgefordert meinem Ausbilder in der Jagdschule Folge zu leisten und meine Hunde in einem geordneten Rahmen den Wildschweinen vorzustellen. Dazu gibt es Wildschweingatter, wo die Hunde in Kontakt mit den Schweinen kommen können. 
Mit wenig Schlaf und richtig mulmigem Gefühl fuhr ich also los, sowas hatte ich noch nie gemacht. Keine Ahnung, kein Schimmer. Mitbringen sollte ich erstmal nichts ausser mir und den Hunden. Natürlich hatte ich voher ehrlich geschrieben, dass ich und die Hunde keine Ahnung hätten und Freya eine Wundertüte sei. 
Der Ort war erwartungsgemäss unspektakulär, es roch nichtmal gross nach Schweinen und war einfach Wald mit Zaun drumrum. Bei näherkommen sah ich aber schon eine ordentlich grosse Bache, die offenbar mit ihrem Betreuer spielte. Wer denkt, dass die Tiere gestresst sind, der irrt also gewaltig. Vorgestellt, mordsnett begrüsst worden, wie das halt unter Jägern so üblich ist. Mein Handschweiss senkte sich auf Normalniveau. Ich erklärte nochmal alles ausführlich: "Macht doch nichts. Es ist nie zu spät Hunde einzuarbeiten und auch Beagles können etwas lernen." Pouh, auch das grummlige Gefühl in meiner Magengegend liess nach, normalerweise werden genau die nämlich als Deppen vom Dienst angeschaut. Nicht wildscharfe Engländer, denen der deutsche Jäger wenig abgewinnen kann, wegen ihr wäre ich eigentlich auch nicht gefahren. Freya, das braune Teufelinchen interessierte mich brennend. 
Zunächst aber war Lotti dran, wir gingen zu den "Kindergartenschweinen", die beiden stellen sich nicht, sondern laufen einfach weg und legen sich, wenn sie das Gefühl haben, dass sie genug getan haben, einfach wieder hin. Lotti war an der Leine ungehalten und wollte los, die Schweine im Anblick schnallte ich sie (ich befreite sie von Leine und Halsband) und sie spurtete etwas vorlaut los. Für den Moment wars das aber auch, die Gattermeisterin fragte mich, was mein Ziel wäre. Naja, ein bisschen Bewegung reinbringen darf sie ja schon. Also spurtete ich meinem unglaublichen flinken, johlenden Beagle hinterher, die die Jagd mit Frauchen eindeutig besser fand, als alleine da rumzuhampeln. Ich merkte, wie sie an Selbstvertrauen gewann und Spass daran hatte den Schweinen hinterherzujagen. Trotzdem war ich wahnsinnig beruhig, als meine Begleiterin mir deutlich sagte, dass sie wohl nie eng an Schweinen jagen wird. Völlig ok, wenn sie genug Selbstvertrauen hat, sie laut zu jagen, dann reicht mir das bei ihr völlig. Lotti kam brav und völlig happy auf Abruf und ich war stolz. So ein gutes Mädchen. 

Dann, meine Wundertüte. Was soll ich sagen. Anfeuern musste ich sie nicht, es wirkte fast so, als ob sie es vermisste, dass die Schweine sich nicht stellten. Sie animierte sie schon fast. An Abruf war nicht zu denken, sie trieb die beiden Wildschweine vor sich her, als hätte sie nie etwas anderes getan. Die Schweine hatten deutlich einen Schritt schneller drauf, als bei Lotti und versuchten Freya abzuschütteln, was aber nicht gelang. Unglaublich schnell schlug meine Hündin Haken hinterher, setzte über jeden Busch. Abruf? Fehlanzeige. So eine blöde Ziege, das hatten wir so geübt. Aber was erwarte ich? Der Hund ist 7 Wochen bei mir und darf vermutlich eines der wenigen Male in seinem Leben das tun, wozu er gezüchtet wurde. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich (völlig aussichtslos) versuchte den Schweinen und dem Hund hinterherzuhechten, um mich auf meinen Hund zu werfen, kam sie an. Glücklich. Überglücklich. Die Schweine verschwanden in ihrer Suhle. Gestresst sahen sie nicht aus, sondern schmissen sich genüsslichst in den Dreck, als hätten sie das Fitnessprogramm des Tages hinter sich. Natürlich ist nur eine sehr kleine, beschränkte Anzahl Hunde in den Gattern zugelassen, aber ein gestresstes Schwein sieht anders aus. Nach dieser Vorstellung wurde die Gattermeisterin mehr als deutlich: "Dieser Hund braucht eine Weste, die schreckt vor nichts zurück. Nochmal kommen muss sie auch, die muss wissen, wie es anfühlt, wenn so eine Sau sich stellt und sie annimmt." Es stand auch für mich ausser Frage, dass ich in eine Schutzweste investieren werde, ausserdem bin ich mehr als froh, dass ich weiss, wie mein Hund auf Wildschweine im Angang reagiert. Beim zweiten Termin wird sich zeigen, wieviel Herz sie hat. Meine Prognose: viel. Sie wird nicht locker lassen. Meine Hoffnung: vielleicht nicht so viel, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzt. 

Schlussendlich ist mir sehr bewusst geworden, wieviel ich von meinen Hunden verlange, wieviel sie mir geben und ich diese Hingabe an manchen Tagen zu wenig ernst nehme. Lotti hat die Schweine definitiv nicht wegen ihr, sondern für mich gejagt. Sie hätte sie angebellt und das wärs gewesen. Freya klar, sie hat es für sich getan, aus Freude. Gleichwohl stellt dieser Besuch für jede folgende Drückjagd Weichen, die ich nicht mehr rückgängig machen kann. Gute und schlechte. Die Hunde wissen, auf was sie sich einlassen, können Wildschweinen besser begegnen. Andererseits, werden sie nicht zu viel Mut haben? Die Kindergartenschweine sind viel, viel freundicher, als jedes wilde Schwein. Spüren sie den Unterschied? Ich kann es nur hoffen. Trotzdem verspreche ich mir, dass meine Hunde besser vorbereitet sind. Wer mit Hunden jagt, geht immer das Risiko ein, sie zu verlieren. Ob ich sie deshalb nicht mehr mitnehmen würde? Sicher nicht, es gehört zu ihrem Naturell, Lottis strahlendes, völlig verdrecktes Beaglegesicht zu sehen, wenn sie sich Käse stibitzen kommt an einer Drückjagd - unbezahlbar. Ihr Glück, wenn sie wieder abschnürt, um kurz darauf wieder in ihren Spurlaut zu verfallen. Nein, für kein Geld der Welt möchte ich es ihr nehmen. Die Angst habe ich im Rucksack dabei. Wir drei werden Jägerinnen, hoffentlich gute und waidgerechte, die beiden sind meine Schätze, auf deren Nase und deren Instinkte ich mich verlassen kann. Dazu muss ich sie tun lassen, was Jagdhunde tun. Auch wenn es das vorzeitige Ende bedeuten kann. 

Dienstag, 2. Juni 2015

Was ich jag`, das neckt mich...

Endlich hab ichs geschafft. Jagdschein in der Tasche, ich kann es manchmal noch gar nicht so richtig fassen und fühle mich wie eine Königin, wenn ich mit der Waffe auf dem Rücken durch den Wald spaziere oder ansitzen gehe.
Geschossen habe ich noch nichts, gesehen zwar schon so einiges, aber es hat immer noch recht für den perfekten Schuss gepasst und da ich mich nicht hetzen lassen möchte, warte ich lieber.
Dieses Warten, meine Güte. Ich war ja früher schon oft ansitzen, aber nun, mit der Waffe dabei, fühlt es sich viel "ernsthafter" an. Kein Witz! Früher wusste ich, ob ich was sehe, oder nicht. Egal, das ist meine Freude. Heute kitzelt es schon manchmal, sehe ich was? Klappt es heute?

Heute morgen war ich ehrlich gesagt wirklich etwas kitzlig drauf, mein Wecker war um 3.30 gestellt (früher wäre ich niemals auf die Idee gekommen so früh aufzustehen), ich war aber bereits um 3 Uhr wach und irgendwie ready to go. Also meine Mädels noch etwas schlafen lassen, meinen obligatorischen Pfefferminztee mit Zitrone gemacht - ich liebe Pfefferminztee, mit Zitrone ists einfach perfekt, und gehört auf den Ansitz. Ich hab sogar das erste Mal mein Buch vergessen, eigentlich hatte ich immer eins in meinem überdimensionierten Jagdrucksack, aber morgendlich Ansitz bieten ein derart grandioses Vogelkonzert... Das sollte man sich nicht entgehen lassen. Ausserdem ists spannend, was da so kreucht und fleucht. Und wie gesagt, ich war innerlich unruhig.
meine beiden Hundedamen ins Auto verfrachtet, die waren so müde, dass sie vergessen haben zu pieseln, Gewehr geholt und los.
Im Wald hab ich die Hunde direkt im Auto gelassen. Aber ehrlich, es ist schon mulmig nachts allein durch den Wald zu laufen, ich bilde mir immer ein besser geschützt zu sein, wenn ich die Waffe dabei habe. Aber das ist natürlich Blödsinn. Beruhigt aber ungemein.
Bis zum Abend vorher war ich mir nicht sicher, wo ich mich hinsetzen wollte. An eine Kirrung, klar. Vielleicht kommen ja Schweine vorbei.. Aber welche? Ich bin noch keine erfahrene Jägerin, daher spreche ich mich mit meinen Mitjägern ab, aber schlussendlich muss ich selbst entscheiden. Dazu gibt es keine schlauen Bücher, da muss ich nun einfach so durch. Versuch macht kluch, sagt man doch so salopp. Die Kirrungen war in letzter Zeit eigentlich gut angenommen, sprich, da könnte was gehen. Aber wann kommen sie. Voller Spannung und das erste Mal wirklich leise, ohne irgendwo anzudütschen, ohne grossartig auf Äste zu treten (man glaubt gar nicht, wie schwierig das ist!) oder andere Katastrophen hab ich den Sitz erreicht und mich dort leise eingerichtet.
Wieviel man lernt ist unglaublich, ich kann mittlerweile praktisch lautlos die Kanzelfenster öffnen, nur mein Tee. Da plätschert es halt etwas, aber das ist kurz und das muss einfach sein.

Eingerichtet und fertig, endlich. Fernglas hoch. Oh man, die Kirrung ist leer. Die Schweine waren schon da. Naja, macht nichts. Vielleicht kommt ein Rehbock vorbei, die wären auch noch offen.
Aber es passiert lange nicht. Gar nichts. Ich sehe zwei Mäusebussarde bei der Jagd, was mich ungemein fasziniert hat, zwei Eichelhäher verraten meinen Sitzplatz durch ihr Gekreische. Diese Vögel sind wirklich Petzen, eine ziemlich zerrupfte Fuchsfähe schleicht eilig zurück in ihren Bau.
auf einmal höre ich sie. Rehe. Das heisere Schrecken erkenne ich sofort. Ungefähr genau dort, wo ich vorgestern Abend lange angesessen habe. Super, was wäre meine zweite Option gewesen.
Was tun? Sitzen bleiben? Hochfahren ist gar keine Option. Abbaumen und heimfahren mag ich auch noch nicht. Pirschen. Noch nie gemacht. Wie geht das? Langsam. Klar. Leise. Auch klar. Immer den Wind im Gesicht. Ok. Ich baume also leise und vorsichtig ab und gehe dem Waldweg leise und langsam nach, bis ich auf den Wechsel komme, wo ich Rehe vermute. Leise und langsam. Wie in Zeitlupe. Meine Waffe hab ich auf dem Rücken, ganz schön schwer auf jeden Schritt zu achten, leise zu sein, auf nichts zu treten. Aber hei. Es klappt. Vor mir stehen zwei Rehe. Ein Schmalreh und eine Geiss mit dicker Spinne, also Gesäuge unter dem Bauch. Aber es passt wieder nicht, kein Kugelfang. Komisch, das etwas, das sich in meinem kopf festgesetzt hat: Kugelfang ist nur gewachsener Boden. Keine Strassen, keine Wege, einfach nur Boden. Ich schaue den beiden eine Weile zu und mache mich leise auf den Rückzug.

Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht, meine heutige Jagd war spannend, so spannend, wie noch keine. Ich bin zwar wieder einmal ohne Beute nach Hause, aber das kommt, da bin ich sicher.
Erlebnisse, wie heute morgen sind für mich wertvoller und prägender. Einfach wunderbar.



Samstag, 28. März 2015

Jungjägerfragen

So, da sitze ich nun wieder einmal. Mich hat heute morgen der heiilige Hubertus oder vielleicht auch einfach nur mein schnarchender Freund geweckt und beim Teutates, schlafen ging einfach nicht mehr. Was also tun? Durch die dunkle Wohnung geistern? Sich an der vergebenen Chance "auszuschlafen" ärgern? "Ausschlafen" deshalb, weil man als Jäger in Ausbildung gewisse Abstriche von der gewohnten "Ich brauche meine 8 Stunden Schlaf"-Regel machen muss. 
Samstags wird gern bereits um 8 Uhr morgens mit dem Schiessen begonnen (gäääähn und dann soll frau auch noch treffen, wenn man Freitags bis 11 Uhr nachts gearbeitet hat), heute ist Sonntag, es geht um halb neun (Gott seis gelobt und gepfiffen....schliesslich klaut uns die Sommerzeit noch eine Stunde) los mit der Hygieneschulung. 
Unterricht ist Montags und Mittwochs immer von 7-10, da ist man auch nicht vor 11 im Bett. Ich kann mich hier ja outen, ich bin ein Langschläfer, bis jetzt habe ich selten auf meine 8 Stunden Schlaf verzichtet, aber irgendwie dämmert mir bereits, dass damit bereits jetzt Schluss ist. 

Wie dem auch sei. Es ist Sonntag früh, 6.02 (sechs Uhr null zwei, geneigter Leser, da lagst du noch im tiefen Schlummer, oder du bist Jäger). Ich sitze bereits auf dem Ansitz und schaue etwas müde auf die Waldkante vor mir, natürlich sitze ich auf meinem Lieblingssitz, Lotti hat sich längst wieder eingerollt und schläft selig neben mir. Vielleicht erwähnte ich es bereits, aber ich habe das unglaubliche Glück in einem Revier "mitjagen" (welche hochtrabendes Wort) zu dürfen, wo Jungjäger geschätzt werden. Das  ist ja lange nicht immer so und ich bin von Herzen dankbar für diese Chance. 
Jagen an sich lernt man aber leider nicht im Unterricht, natürlich erzählen unsere Ausbilder uns unglaublich viel aus der Praxis, aber das ist eben trotzdem bloss Theorie. Wenn ich dann tatsächlich rausgehe kommen mir 1001 Frage in den Sinn, die sich nicht darum drehen zu wissen, wieviele Eier das grünfüssige Teichhuhn in sein Nest legt und wie lange es darauf sitzt und ob es bereits am ersten Tag anfängt zu brüten, oder erst, wenn alle Eier da sind. (Ja, sowas lernt man eben auch....und ich werde eben gennantes Tier wohl eher nicht schiessen und essen können. Aber das ist halt Naturschutz.) 

Heute morgen fragte ich mich: 
-Wo parke ich mein Auto am besten, wenn ich auf meinen Sitz krabbeln möchte?
-Wo ziehe ich mich um, denn ich ziehe es vor meine Ansitzhose (auf die ich nie wieder verzichten möchte) nicht während des Autofahrens zu tragen, laufen geht gut, aber kuppeln, naja?
-Wie wähle ich, natürlich unter Berücksichtigung des Windes, den besten Pirschweg zur Kanzel? Ich laufe über eine breite Matte, halte mich natürlich nicht am Wald, sondern laufe langsam an den eingezäunten Stück vorbei und laufe dann einfach geradewegs auf die Kanzel zu. 
-Wo parke ich mein Auto? Das Revier ist stadtnah und gut besucht, Autos, Menschen und Hunden kennen die Tiere also zur Genüge, aber wenn ich es etwa 500m weit von der Kanzel im Graben stehen lassen, reicht das? Oder vernehmen mich die Tiere zu schnell? Oder vernehmen sie mich eh und dann ists auch grade egal? Nee, das kann ja nicht die Antwort sein.
-Ich lasse meine Lieselotte immer vorher auf dem Parkplatz pieseln und auch das grosse Geschäft erledigen, aber sie pieselt natürlich trotzdem noch auf die Matte.... Macht das vertraut? Ist das schlecht? Vergrämt das das Wild oder ist es einfach wurst, weil sowieso jeder Fiffi auf die Matte pieselt?
-Hab ich überhaupt den richtigen Sitz ausgewählt, das Basler Partyvolk ist nämlich immer noch -Party hard- offenbar im Z7 zugange und könnte hier oben locker mitfeiern, der Wind steht mir definitiv im Gesicht und ich trone über dem Partyvolk und warte auf den Sonnenaufgang. Es ist nicht furchtbar laut, aber doch laut genug.... Und ich habe schon ein paar Rehe schrecken hören. Lag das an mir? Lag das an der Party? Keine Ahnung....
-Welcher Vogel kreischt denn da? Muss ich das wissen, könnte der mir Rehe/Schweine/Bigfoot anzeigen? Um mich herum breitet sich gerade ein unglaubliches Konzert aus, absoluter Wahnsinn, viel besser als das duff duff aus dem Z7 und ich bin auf jeden Fall nicht so zugedröhnt, wie das Partyvolk....
-Sollte ich Lotte das leise Schnarchen abgewöhnen?

Fragen über Fragen, die die Jagdschule aus Zeitmangel leider offen lässt. Dafür weiss ich aber ganz genau, wann der Rothirsch die Zähne wechselt. Ist ja schliesslich auch wichtig. 


Mittwoch, 4. März 2015

Aus der Mitte der Gesellschaft

Mein Besuch heute auf der grossen Demonstration in Stuttgart hat mich nachdenklich und euphorisch zugleich gestimmt. Die Jäger stehen in der Mitte der Gesellschaft, so hört man es einstimmig aus unseren Reihen. Dargestellt werden wir leider anders. Katzenmörder und Deppen, die gegen ein Gesetz demonstrieren, das eigentlich schon verabschiedet ist. So sieht es also aus, wir werden als Idioten wahrgenommen.

Wir haben gegen die DVO, Durchführungsverordnung (was für ein Unwort), demonstriert, die nämlich nach Gutdünken einiger weltfremder Vereine mit Hilfe der Grünen -ohne fundierte Grundlage- nach Herzenslust verändert wird. Diese bestimmt, wie wir Jäger unseren Job zu machen haben, sie setzt Grenzen, bestimmt jagdbare Wildarten, was eben zu einem Jägerleben so dazu gehört.  Leider ist die derzeitige DVO derzeit weltfremd... Aber gut, das ist auch eigentlich nur peripher das Thema.

Jäger sind ein Abbild der Gesellschaft, dass hat sich heute gezeigt, wir sind ein völlig durchmischter Haufen. Männer, Frauen, jung und alt, Hunde und Dackel (die einfach nicht zu den gemeinen Caniden gezählt werden dürfen), alles war dabei.  Was aber am allererstaunlichsten ist: Es waren einige "Alte" auf den Läufen, dabei sind die "Alten" doch immer faul und meckern nur. Gemeckert haben sie heute auch, aber zusammen mit den Jungen. Jagen hält also fit im Kopf und auf den Füssen, ins Altersheim müssen die Damen und Herren noch lang nicht. Die Dame (sie war wirklich eine Lady) mit dem Saubart am Hut hat mir total imponiert, die hat das Tier sicher selbst erlegt und wahrscheinlich auch noch zubereitet. Wow! 

Leider haben alle diese Menschen über kurze oder längere Zeit einen Fehler gemacht. Sie haben ein Ehrenamt, denn nichts anderes ist die Jagd, ausgeübt und haben nicht darüber gesprochen. Wir haben es versäumt der Gesellschaft unsere Funktion deutlich zu machen, sie ins Boot zu holen.
Wir haben es geschafft heute ein deutliches Zeichen zu setzen, 3500 Jäger gegen 30 Jagdgegner, es war eindrucksvoll. Aber: es war ein Tropfen auf den heissen Stein. Nun muss es weitergehen, wir haben zwar den Politikern gezeigt, dass wir da sind und für unsere Sache einstehen, aber wir müssen die breite Bevölkerung ins Boot holen. Natürlich bieten sich Regiomessen dafür an, aber auch dort muss Personal aufgeboten werden, Organisation betrieben, Gelder rekrutiert werden. Dabei gäbe es so viele einfachere Wege die Leute ins Boot zu holen: Geht doch in Eurem Revier spazieren! Sprecht die Menschen an, zeigt ihnen einen seltenen Vogel, lasst sie durch Euer Fernglas schauen und eine Meise, einen Distelfink oder gar ein Reh entdecken. Stellt euch doch am Sonntag Morgen für eine Stunde in den Wald und sucht den Kontakt. Ja, das bedeutet Arbeit, das bedeutet vielleicht auch unangenehme Fragen. Auch die Idee des DJV mit dem #jaeben Projekt eine Person mit zur Jagd zu nehmen, die damit eigentlich nichts zu tun hat, finde ich persönlich toll. Jäger sind für viele Menschen abstrakte Hinterwäldler mit Knifte, Dackel und Fettbauch. Wer einen Jäger persönlich kennt, der denkt schnell anders über die Jagd. 

Ja, es wurde lang gewartet, da beisst die Maus keinen Faden ab, Jäger sind zu höfliche Menschen.  Sie investieren ihre Zeit lieber ins heimische Revier, puzzlen an den Kirrungen, spielen mit dem Hund, suchen neue Wechsel, probieren neue Maismischungen, säubern Hochsitze, schauen selbstvergessen irgendwelchen Tieren zu, die sie schiessen oder auch nicht. Sie sind davon ausgegangen, dass sich der Tsunami, der sich vor ihnen aufgebaut hat, schon wieder legen wird. Die Welle durch den DJV abgefangen wird und nicht das heimische Schalenwild wegspült, weil es nach dem Wunsch der Grünen leider demnächst verhungern muss. 
Sogar die Demonstration heute war höflich, statt dieser ekligen Trillerpfeifen rücken Jäger mit Jagdhörner an und untermalen ihre Forderungen mit echter Musik. 

Lasst uns diesen höflichen Eindruck weitertragen als nur diese paar wenigen Stunden, tut Gutes und sprecht darüber, zeigt den Menschen, was ihr macht und warum ihr es tut.

Donnerstag, 19. Februar 2015

Jäger und ihre Hunde

Jäger sind Individualisten, wie sollte es auch anders sein? Jemand, der mehrere Stunden allein draussen mit sich im Wald verbringt, der muss einfach einen eigenen Geschmack entwickeln. Ein Zeichen dieses Individualismus sind die Jagdhunde, jeder so individuell wie der Halter selbst, aber auch so individuell wie jedes Revier. Jagd ohne Hund ist SChund, so sehe ich das, mit meinen noch nicht einmal angebrochenen Jagdlenzen auch. Ohne meinen Beagle raus in den Wald? Unvorstellbar. Sie gehört einfach dazu, sie ist Teammate, manchmal bringt die Dame mich zur Weissglut, aber meistens sehe ich dank ihr Dinge, die mir sonst verborgen geblieben wären. Manchmal, um ehrlich zu sein, finde ich aber auch Dinge, bei denen ich ganz froh gewesen wäre, wenn sie mir verborgen geblieben wären. Räudige tote Füchse, die schon wieder gehen können, dergleichen. 

Jagdhunde, es gibt für jeden Zweck und jedes Revier eigentlich den perfekten Jagdhund, so lernen wir es zumindest in der Theorie. Die Praxis ist deutlich verwirrender. Der Wauzel, der die Pirschleine ziert ist Ausdruck der Halterindividualität, aber er gibt auch Aufschluss darüber, wenigstens grob, was Herrchen oder Frauchen für ein Mensch ist. Wenigstens im Ansatz. 

Meine absolut favorisierten Lieblingsjagdhunde sind Dackel, wenn sie nicht so furchtbar unpraktisch für jeglichen hundesportlichen Gebrauch wären, mein nächster Hund wäre ein Dackel. Sie haben das Herz eines Kämpfers, das Aussehen eines verwirrten Professors, den Schneid eines Terriers (ohne dessen Hang zu Selbstmordfantasien zu teilen) und einen eigenen Kopf. Ich liebe Dackel. Dackelbesitzer finde ich immer tolle Menschen. Komisch, ich habe noch einen unsympathischen Mensch mit Dackel kennengelernt. Wer sich für einen Dackel entscheidet, der stellt sich, ähnlich wie der  Beaglebesitzer auf ein Leben allein im Wald ein. Einen Dackel (und einen Beagle) kann man bis zu einem bestimmten Punkt erziehen, danach entscheidet der Hund selbst, der Erziehungspunkt des Tages ist auch immer von der Masse Wurst in der Tasche abhängig. 
Der Nachteil eines Dackels für mich liegt auf der Hand, die Wurstform des Dackelkörpers und das Kamfgewicht von 7-13kg ist einfach nicht sportlich genug für Nebenschauplätze wie Agility, Sporthundecross, o.ä. . Dafür ist es handlich. Also: Dackel sind spitze. Ein unerzogener Dackel unterstreicht die Individualität und das grosse Herz des Halters nur. 

Ganz anders sieht das für mich bei Vorstehhunden aus, hier gibt es eine verwirrende Vielzahl von Rassen, die sich untereinander gleichen, wie ein Ei dem Andern. Vorsteher und ihre Besitzer haben, wenn sie nicht so struppig wie der Griffon oder der Deutsch Drahthaar (die sich eben auch ganz furchtbar gleichen, wenigstens für den Laien) etwas majestätisches. Es sind allesamt grosse, gertenschlanke (hoffentlich) Hunde, deren Abrichtung ein Mysterium für den Laien darstellt. Wie kriegt man das Ding dazu, so ruhig vor einem Hasen zu warten? Mein Beagle würde in johlender Freude hinterherhetzen. Angewölft, ein Zauberwort. Manche Zwinger sind so alt, wie die Geschichte des Vorstehers (ok, nicht ganz... aber fast). Leider ist es furchtbar peinlich, wenn man eben diesen majestätischen Hund nicht im Griff hat und er fröhlich spurlaut auf Nimmerwiedersehen davonhetzt. Es gibt also bei den Vorstehern die "Angebergruppe", alles was kurze, oder sehr lange Haare hat. Und dann gibts die Strubbels, die mit dem täglichen bad hair day. Das sind aber die ganz harten Gesellen, jedenfalls kommen sie mir immer so vor. Sie wirken immer etwas grimmig und man nimmt ihnen ohen weiteres ab, dass sie ein Schwein selbst stellen, schiessen und verspeisen können. 
Ich kenne zwei Griffon-Damen, die eine mit mehr, die andere mit weniger viel Strubbel auf dem Kopf, sind, wenn man sie dann kennt, einfach freundlich. Aber sie machen Eindruck. Vorsteher sind loyal bis in den Tod, hoffe ich jedenfalls. Untreuer als mein Beagle kannst jedenfalls nicht werden. 

Neben eben jenen, die mehrheitlich auch schon nur an Jäger abgegeben werden, gibt es es die sagenumwobenen Schweisshunde. Der BGS und der HS, schon allein die Kürzel stehen für sich, bayerischer Gebirgsschweisshund. Für einen Jäger klingt das schon fast nach dem Olymp der Hundenase, einen Bayrer aus dem Verein für bayerisches Gebirgsschweisshunde, da wartet man gerne drauf. Den gibt es nur, wenn man genug Nachsuchen im Jahd nachweisen kann und so weiter und so fort. (Wie üblich, Angebot und Nachfrage, hier gibts auch viele "Schwarzzüchter", aber lassen wir das.) Wer einen BGS mit Leistungsprüfung an seiner Seite führt, der hat nicht nur meine uneingeschränkte Bewunderung, sondern auch ein erhebliches Stück Arbeit geleistet. Ebenso die Peintinger Bracken, oder steyrische Bracken, die dem Halter versprechen, dass ein leises Raunen durch die Gesellschaft geht, wenn er von der letzten Nachsuche des Tages zum Schüsseltreiben kommt. Den Namen der dazugehörigen Hunde kennen auch die meisten Jäger im Umkreis, danach wird gefragt. 

Neben einigen anderen gibt es auch noch die Armee der Terrier. Ein befreundeter Nachsuchenführer sagte mir einmal, dass er seinen BGS für Riemenarbeit, den Kurzhaar für Vorsteharbeiten und Beizjagen, den Steyrer als Nachwuchs für den BGS und den Terrier für aussichtslose Selbstmordkommandos halten würde. Man stelle sich das bildlich vor, da geht ein 8kg Terrier, egal, welche Rasse, (Yorkshire, etc mal ausgenommen), sehenden Auges und mit vermutlich ausgeschaltetem Hirn ohne weiteres an eine 70kg Sau dran. Und der hat dabei auch noch den Eindruck, dass er sie selbst erlegen können wird. Ich bewundere diese Hunde. Aber je länger je mehr auch deren Halter. Ich traf dieses Jahr einen scheintoten Terrier auf einer Jagd an, der sich eifrig in einem bereits totan Fuchs verbissen hatte, als gäbe es kein Morgen mehr. 
Terrier sind nicht majestätisch, sie hören nicht besonders gut, sie können nicht vorstehen, aber sie zeigen: Ich bin ein kompromissloser Jäger. Das ist wohl auch Herrchen Botschaft. 

Als letztes gibt es noch die Gruppe der Individualisten, da würde ich mich mit meinem Beaglechen auch hineinnehmen. In dieser Gruppe trifft man alle möglichen Rassen, jagdliche geführte Labradors sind für mich auch Individualisten, aber auch solche mit Beagles, die sie ernsthaft für die Jagd nehmen wollen. Man hält verbissen (manche auch nicht so sehr, aber wer würde schon zugeben, dass der eigene Hund ein Flasche ist) an "seiner" Rasse fest. Der Individualist hat entweder keine Ahnung vom Metier, braucht einen auch neben der Jagd kompatiblen Begleiter, er möchte mit seiner Rassenwahl den sowieso schon vorherrschenden jagdlichen Individualismus unterstreichen oder die Jagd mit seiner Wahl revolutionieren.

Für welche Rasse man sich aus welchen Grund auch immer entschieden hat, Jagd ohne Hund ist Schund, auch wenn der Hund nur Begleiter durchs Revier ist und für die nötige Sauerstoffzufuhr sorgt. Hunde bereichern das jagdliche Leben ungemein und das Leben an sich sowieso. 

Dienstag, 10. Februar 2015

We are not most women

Warum werden Frauen eigentlich Jägerinnen? Was bewegt junge, emanzipierte, intelligente Frauen zur Jagd zu gehen? Wo liegt die Faszination?
In der vorletzten NZZ am Sonntag las ich einen Artikel über eine junge Frau, eine Städterin, eine Uniabgängerin, die jagen geht. Sie verkauft ihr Wildbret an die Restaurants in der Stadt, anders, als das viele Jäger tun.
Also muss ich mich doch selbst fragen, warum mache ich das? Ich lebe in der Stadt, ich bin viel zu jung, eigentlich, um Jägerin zu werden. Ich habe keinen Schmerbauch und kein dickes Auto, ich habe als Studentin nie zu viel Geld in der Tasche und entspreche auch sonst nicht dem Bild eines typischen Jägers. Aber: Ich bin nicht allein. Es gibt mehr und mehr Frauen, die Jägerinnen sind, mit Herzblut, vielleicht bedeutend mehr Herzblut, als manche Männer mitbringen. Auf den Jägerinnenforen, in denen ich aktiv bin, geht es anders zu und her als bei den Männern. Da wird nicht gemotzt, wenn das Stück nicht ganz 100% so liegt, wie es sollte. Es gibt keine unendlichen Kaliberdiskussionen, keine Anfeidungen, "wir" sind einfach ein sehr gesitteter Haufen, Zicken? Bis jetzt Fehlanzeige. In einem Marktplatz für Jägerinnen habe ich bis jetzt schon viel Geld ausgegeben und anders als auf anderen Plattformen haben sich die Mädels da noch nie beschissen, die Ware kommt pünktlich, alles in Ordnung. Da kommt Freude auf. 

Das ist aber nur schmückendes Beiwerk. Warum gehe ich zur Jagd? Was treibt mich an? Was fasziniert mich? 
Klare Antwort. Meine Mama. Meine Mutter ist selbst Jägerin, leider nicht mehr sehr aktiv, aber sie ist definitiv mein Vorbild. Mein Papa ist auch Jäger, aber das ist etwas anderes. Ich kann mich noch daran erinnern, wenn meine Eltern abends spät oder morgens früh zur Jagd gegangen sind und ich als kleine Tochter auf der Treppe sass und ihnen zugeschaut habe. Der Geruch nach Barbourjacke (riecht ein bisschen nach Keller, Hund und Abenteuer), Ballistol (Waffenöl), Hundeleine, der alten Tasche von Papa mit dem Hühnerwürger dran und natürlich, die Waffen. Ich fand sie immer schrecklich furchteinflössend. Mama mit ihrer Doppelflinte, eine blonde, grosse Frau, selbstständig, wie sie in jedem Lebensbereich ist, den sie begeht. Aber dort besonders. Viel redet Mama nicht über ihre Jagderlebnisse, sie hat sie still für sich genossen. Ich weiss von ihrer Taubendoublette, von den schmerzenden Füssen, wenn sie wieder lange auf Tauben gewartet hat. Ich weiss, dass sie eigentlich die passioniertere Jägerin von beiden war. Warum? Frauen jagen anders. 
Einerseits werden wir, wie in keinem anderen Bereich so argwöhnisch beobachtet, wie auf der Jagd. Es gibt immer noch Vorurteile, aber meine Mama erzählt heute noch, wie sie sich durchkämpfen musste auf den Bauernjagden. "Frauen stehen am Herd, Frauen geben Leben und nehmen keins..." Die typischen Männersprüche.

Als Frau wird man schnell belächelt. Wie oft ist mir das dieses Jahr an den Treibjagden passiert. Die Männer haben erstmal dicke Backe, wenn ich mit meinem lebendigen Steifftierbeagle dort stehe. Zugegeben, sie sieht echt nach nix aus. Aber sie kann was. Aber das müssen wir jedes Mal von neuem beweisen. Als Frau kriegst du entweder den schwersten oder den leichtesten Trieb zugewiesen. Ich hatte natürlich das Glück einige Schwere zu erwischen, 1.5 km durch übermannshohe Fichtenverjüngung mit Brombeersträuchern drin. Machete? Fehlanzeige. Ich hatte meinen Stock, das wars. Schlag dich durch, glücklicherweise soll man ja laut sein, also habe ich geflucht und gestänkert, was das Repertoire hergab. Nicht, dass die männlichen Treiber gross etwas sagen würden, aber "Beim letzten Mal hatten wir auch so einen Jungjäger dabei, der hat sich nach fünf Metern hinter uns versteckt." war Anerkennung genug. Typischerweise wird auch mein Beaglechen am Ende immer gelobt. 

Ich bin der festen Überzeugung, dass Frauen in der Zukunft der Jagd ein neues, weicheres Gesicht geben können. Viele Menschen sind überrascht, wenn ich davon erzähle, dass ich meinen Jagdschein mache. "Aber dann musst du ja auf die Tiere schiessen?! Kannst du das denn?" Ja, warum nicht? Ich esse ja auch Fleisch. Wenn ich durchs Revier gehe, egal ob mit meinem bewaffneten Mann an der Seite oder ohne, dann bin ich immer betont freundlich, ich möchte, dass die Menschen überrascht sind, wenn sie mit mir gesprochen haben. Es ist mir ein Anliegen, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass Jagen nicht nur sinnlos Tiere töten heisst. Kein Tier sollte sinnlos sterben müssen. Ich mag die Ruhe, die ich auf dem Ansitz empfinde, den Moment, wenn ich alle Gedanken zu Ende gebracht habe. Ich habe letztens lange einige Rehe beobachten können, dabei hatte ich fast Tränen in den Augen. Ich habe mich gefreut zu sehen, wie eine Ricke und ein Bock offenbar gemeinsam unterwegs waren. Ja, vielleicht vermenschliche ich die Tiere. Ich habe mir überlegt, wie oft sie schon unbeschadet über die nahe Strasse gelaufen sind, wieviele Geheimnisse von Spaziergängern sie schon belauscht haben, ob sie mir sagen können, warum die Wildschweine in unserem Wald immer irgendwo anders unterwegs sind, als wir sie vermuten. Und ja, wenn die Zeit gewesen wäre, dann hätte ich auch daran gedacht, wie lecker ein Rehrücken in einigen Tagen schmecken würde und vermutlich hätte ich auch geschossen (Schonzeit, etc. berücksichtigt, natürlich). Und ich habe es zum ersten Mal gespürt, das Jagdfieber, so richtig. Als die Tiere aus dem Wald traten, war ich auf einmal nicht mehr müde, sondern hellwach, meine Füsse waren nicht mehr kalt, sondern sehr, sehr warm, ich konnte vor Aufregung kaum noch atmen. Sie waren so nah und sie haben mich nicht vernommen. Ein spannender Augenblick. 

Ich versuche immer noch herauszufinden, warum Jägerinnen anders sind. Manche von uns fühlen sich einer Tradition verpflichtet, so wie ich. Ich möchte, dass meine Töchter auch eine selbstbewusste Mama erleben, die gleichberechtigt mit Papa das Gewehr führt. Die selbst für das Essen im Haus sorgen könnte. Manche von uns sind fasziniert von der Arbeit, dem Wissen. Das bin ich auch. Jagen kann man von so vielen Warten aus betrachten. Wildkunde, Waldkunde, ohne die beiden geht gar nichts. Mittlerweile finde ich aber auch Waffenkunde unheimlich spannend und nicht mehr unheimlich. Es ist das Handwerkszeug, mit dem ich umgehen können muss. Die richtige Patrone, die richtige Entfernung, Handhabung der Waffe und Wissen, um meine Fähigkeiten. Ballistik, Wirkung im Wild, aber auch das, was hinter dem Tier passiert. Hundearbeit, Nachsuchen, die Ruhe und Perfektion eines Schweisshundes zieht mich immer wieder in den Bann. Nicht zu vergessen, Wildbret zubereiten, selbst vakuumieren, selbst essen. Gefüllte Paprika mit Wildschweinhack? Ein Gedicht. 

Es gibt so vieles. Vielleicht sind die Frauen, die sich für die Jagd entscheiden einfach neugierig, sie wollen alles wissen und kommen so in diesen Strudel hinein, der sie für kurz oder lang gefangen nimmt. Ehrgeiz, es den Männern zu zeigen und gleichzeitig die weiche Frauenseite, die es uns eben auch möglich macht, um ein geschossenes Tier zu weinen. Ehrgeiz das Wild zu finden, den eigenen Weg zu gehen, trotzdem können Frauen vielleicht eher nochmal den Finger vom Abzug nehmen. Vielleicht glorifiziere ich die Frauen hier aber auch zu sehr. Ich weiss es nicht, aber so aus Mamas Erzählungen denke ich, dass ich jedenfalls nicht ganz falsch liege. 

Es gab heute Abend einen Fotovergleich in einem Jägerinnenforum, eines ist auf jeden Fall klar geworden. Ehrgeiz, Naturverbundenheit, eine gewisse Härte mit uns selbst, aber auch Individualismus sind uns allen gemeinsam. Ich hoffe sehr, dass wir Frauen es schaffen, mit unseren männlichen Kollegen zusammen, der Jagd wieder ein positives Bild in der Öffentlichkeit zu geben. 

Freitag, 23. Januar 2015

Macht es doch besser!

Seien wir mal ehrlich, die Jägerschaft steht auf einem absteigenden Ast, in der Bevölkerung werden immer nur die schiesswütigen Idioten wahrgenommen, die aus der Oberschicht mit dicken Autos durch den Wald rasen und alles totschiessen, was ihnen vor die Flinte läuft. (Wenn ich also dazugehöre, warum fahre ich dann den allerkleinsten Peugeot?...Egal...)
Je länger, je mehr frage ich mich, warum versuchen es die Kritiker nicht besser zu machen? Es steht jedem Mensch in Deutschland und in der Schweiz frei einen Jagdschein zu machen, dafür zu lernen und sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Es steht jedem frei nach Ablauf von 3 Jahren, in denen er den Schein hat, ein Revier zu pachten und dieses nach eigenem Gutdünken zu führen. 

Im Internet wird gegen die Jäger aufbegehrt, jeder tote Jäger sei ein guter Jäger, das Jubelgeschrei, wenn einer stirbt erinnert an Kindergartenkinder beim Indianer spielen, wenn es nicht so traurig wäre. Jeder Jagdgegner könnte gegen Aufwand von Geld, das ihm sicher von seinen befreundeten Jagdgegnern gespendet würde, ein Revier leiten. 
Jetzt wird es hier aber ganz schön schwierig, denn das eigene Gutdünken muss man etwas relativieren, im Wald ist man nie allein. Auch andere Parteien haben ein Interesse an einem gesundem Wald, da dieser Kapital bedeutet. Wie ein Acker, der sehr viel langsamer wächst. Die hauen die Bäume da nämlich nicht nur zum Spass raus, sondern weil die richtig Geld bringen. Dazu müssen die Bäume aber so unversehrt wie nur möglich sein, bei Horden von Rehen, die im Winter die Rinde anfressen - schwer möglich. Es wird also ein Mindestabschuss von Rehen festgelegt, den der Pächter nachweisen muss. MUSS. Ich schreibe das nochmal extra gross. Rehabschuss ist also keine freiwillige Angelegenheit. Erfüllt man den nicht, dann zahlt man eine Strafe.
Je mehr Bäume angefressen, umso schlechter, umso mehr Rehe müssen weichen, so ungefähr siehts aus. Denn jeder Baum ist bares Geld und nur Bares ist Wahres. 

Der Jagdgegnger denkt sich hier vielleicht, super, dann mach ich den Schein doch - die paar Rehe, die vertreibe ich. 

Aber wir haben da noch eine Handvoll mehr Tiere, die den Wald besiedeln. Ich nehm mal nur eins. Wildschweine. Wildschweine sind super, sie sind im Wald sogar richtig nützlich. Wenn sie den Boden umpflügen und aufwühlen, dann freut sich der Förster. Der hat nämlich keinen Pflug, aber der hat die Wildschweine. Wenn sie Frischlinge haben, dann sind sie zwar auch für den holzenden Förster unangenehm, aber der ist meistens eh so laut, dass die Schweine lieber wegbleiben. Warum jagt man sie dann? Die sind doch super!!! So süss und dann grunzen sie, niedlich. Sie übertragen tödliche Krankheiten auf den Hund, aber auch nur dann, wenn der dran leckt. Ach iwooo, die lassen wir im Wald. 
Familie Schwein ist aber ausgesprochen clever. Die zupfen nämlich nicht nur hier und da ein Blättchen von den Bäumen, wie die Rehe, sondern die stehen auf süss. Süss heisst nämlich: Energie. Energie, um viele kleine Schweinekinder zu machen. Süss im Wald, gibts nicht... Aber der Bauer, der hat da eine Bombenidee: Mais. Mais und Maisstärke sind gute Energielieferanten für unsere Schweine. Die hauen sich auf den Feldern den Bauch so richtig voll. Wenn sie können. Der Bauer kann darüber nämlich gar nicht lachen und bittet den Jäger was dagegen zu unternehmen, der setzt fleissig Zäune (die er selber bezahlt, aber das machen die Jungs von der Jagdgegnerei sicher auch mit Spendengeldern aus der eigenen Gönnerschaft). Wenn die Schweinderln sich dann trotz allem die Plauze vollhauen, dann bittet der Bauer den Jäger zur Kasse. Das machen die Jungs und vorallem Mädels der Jagdgegner dann sicher auch mit Spendengeldern wieder wett... Dann müssen sie kein Schwein schiessen, haben aber nach sehr kurzer Zeit ziemlich Ärger mit dem Bauern. Der möchte mit dem Mais nämlich eigentlich seine eigenen Tiere versorgen. Der baut das nicht nur zum Spass an. 

Aber der Mais ist ja irgendwann wieder weg, dann muss man keine Schweine mehr schiessen, obwohl gerade dann eigentlich eine ganz gute Zeit wäre, weil man sie einfach sieht. Jetzt hätte man als Jagdgegner endlich Zeit den Wald Wald und die Tiere Tiere sein zu lassen und sich auszuruhen. Aber die Schweine, die brauchen nach den Mais Kohlehydraten wie jeder Allesfresser dringend Proteine, damit das System funktioniert. Eiweiss. Findet sich auch in Quinoa, das Veganer gern essen, aber das findet sich nicht im Wald. Schweine sind da unzimperlich, die fressen, wie die Dschungelcampbewohner auch: Larven, Insekten, Mäuse. Känguruhhoden haben sie noch nicht gekriegt, aber ich schwöre, die fänden sie bombig. Sowas findet sich aber auch nicht unter den Wurzelstöcken der Bäume, sondern achso praktisch, auf den Wiesen, oder besser, darunter. Wiesen, die der Bauer gerne zur Heugewinnung nutzen möchte. Welch Dilemma... Das müssen die Jäger nämlich auch noch zahlen, wenn die Wiesen wie Äcker aussehen, der Bauer findet das Argument, dass die Schweine ihm den Pflug ersetzt haben, nämlich gar nicht lustig. Auch hier geht ihm Geld verloren, das bezahlt werden muss. Genau, von dem, der das Revier leitet. 
Jagdgegner monieren gern, dass die Schweine im Wald gefüttert werden, damit sie richtig schön dick werden. Kleine Rechnung: pro ha darf man 1l Mais ausbringen, bei uns gibts eine Rotte mit 30 Sauen. Wenn die sich nur von einem Liter Mais pro Tag ernähren würden (den sie nicht mal jeden Tag holen kommen), dann hätten die Heidi Klums Figur. Schwein mit Taille. 

Das Argument, dass Prädatoren wie Luchs und Wolf das Problem schon lösen, lasse ich nicht gelten. Einerseits gibt es wenig Gegenden, wo diese Tiere den Platz finden, den sie brauchen. Andrerseits - wäre ich Wolf, ich würde doch auch erstmal die dummen Schafe, dann die blöden Rehe fressen (die sind echt nicht superhelle, wirklich), bevor ich mich als Wolf an eine 70 kg Sau traue, die mich hässlich verletzen kann. Denen würde ich heitere Koexistenz anbieten und ab und an mal einen Frischling klauen, bevor ich mich mit Mama Sau anlege. 

Es ist deutlich einfacher, sich einen Breitbandinternetzugang zuzulegen, als sich wirklich in den Wald zu stellen. Theorie im Internet und Praxis im Wald könnten nicht weiter auseinanderliegen. 


Eine der seltensten Fähigkeiten ist die Fähigkeit, Fähigkeiten anzuerkennen. (Hubbard)


Sonntag, 11. Januar 2015

Warum...

Heute morgen, es ist Sonntag, fand ich mich schwitzend, völlig durchnässt und frierend um acht Uhr morgens im Wald wieder. Der deutsche Wetterdienst hatte eine Unwetterwarnung herausgegeben, den Wald sollte man tunlichst meiden. Es sei zu gefährlich im Wald, am besten, man bliebe daheim.
Ich stolperte mehr schlecht als recht diesem orangen Bändchen hinterher, an dessen anderem Ende eine langsam, aber stetig suchende Weimaranerhündin hing, zwischen uns lief noch ihr Herrchen. 
Der Boden war tief, es regnete, meine Warnweste und meine Regenjacke hatte ich noch vor dem ersten Kaffee daheim gelassen - vergessen. 
Nachts um eins hatte ich einen Anruf verpasst, Sau angeschossen ab, morgen früh wird nachgesucht. Eben dort stand ich jetzt. Nachsuche, Traum und Alptraum gleichermassen. 
Traum, weil es das wohl intensivste Erlebnis ist, das man mit seinem Hund teilen kann. So jung wie ich bin, so sehr wünsche ich mir, dass ich mich eines Tages geprüfte Nachsuchenführerin schimpfen darf. 
Alptraum, weil eine Nachsuche heisst, dass ein Tier nach dem Schuss nicht sofort gefunden wurde. Jäger werden gerne als schiesswütige, betrunkene Idioten dargestellt, aber unter mir lief mein Jagdkollege, völlig durchnächtigt, Ringe unter den Augen, den eigenen Hund an der Strippe mit gefurchtem Gesicht. Der hatte keine gute Nacht gehabt - die Sorgenfalten in seinem Gesicht zeichneten ein deutliches Bild. 
Die Sau war in den Steilhang gezogen, den die Weimaranerhündin nun mit ihrem Vierpfotenantrieb ohne zu hecheln bergan ging. Wir unzulänglichen Zweibeiner hinterher, nur einige wenige Blutstropfen verrieten uns, dass die Weimaranerhündin auf dem richtigen Weg war das verletzte oder tote Tier zu finden. Was uns dort erwarten würde - ungewiss. Nachsuchen sind immer unberechenbar, selbst eindeutige Zeichen können täuschen. Beide Hunde, der Korthals Griffon und der Weimaraner waren aber auf der richtigen Fährte- trotz widrigster Wetterbedingungen, Regen, Schneematsch, tiefem, schlammigen Boden, Sturm über uns- war beiden der Eifer anzusehen.
Meine Beageline, die ebenfalls gerne ihre Nase benutzt, fiel mir ein, sie musste im Auto warten, zu gefährlich für einen nicht wildscharfen Hund sich mit einem eventuell lebendigen und wahrscheinlich nicht hocherfreutem Wildschwein anzulegen.  Sie durfte sich nochmal einrollen und weiterschlafen. 

Früher war ich Sonntags nie vor zehn, meistens aber nicht vor elf Uhr aus dem Bett gekrabbelt, seit ich nun aber eine Jagdgelegenheit gefunden habe, kann ich mir an sehr wenigen Finger abzählen, wie oft ich morgens noch ausgeschlafen habe. Ob es mir fehlt? Vielleicht, andererseits sind die Erlebnisse und Eindrücke, die ich -ohne Waffe- zur Jagd mache, so unglaublich, dass ich mich frage, was ich früher mit dieser Zeit angefangen habe.  Da man im Wald leise sein sollte, hat man viel Zeit sich mit sich selbst zu beschäftigen. Ich denke anfangs, wenn ich allein unterwegs bin, immer viel nach, denke Gedankenstränge fertig, denen man sonst nie nachhängen kann, bis es irgendwann still ist im Kopf. 

Heute morgen war es aber immer still in der Murmel, einen Schritt vor den nächsten, möglichst wenig stolpern.  Jedes Knacken im Unterholz bringt die angespannten Nerven zum Vibrieren, aber die Weimaranerhündin blieb besonnen und ruhig, sie hat Erfahrung, weiss, was sie erwartet. Manchmal schaut sie mit vorwurfsvollem Blick zu uns zurück, wenn es wieder nicht schnell genug den Steilhang hinauf geht, unzulängliche Zweibeiner, aber sie ist gütig und wartet, bis Herrchen wieder steht und es weitergehen kann. Diesen beiden bei der Nachsuche zuzusehen lässt mir die Tränen in die Augen steigen, genau das, für die Möglichkeit mit meinem Hund so nah zu arbeiten, dafür würde ich viele Dinge in meinem Leben aufgeben.
An einem dicken Stamm wird die Weimaranerhündin zum ersten Mal unruhiger, geht mehrmals um den Baum herum, Herrchen nimmt sie zurück, weist ihr nochmals den Weg. Aber sie ist sich sicher, an diesem Stamm ist etwas faul. Siehe da. Etwa zwanzig Meter unter uns liegt ein totes Wildschwein, später stellt sich heraus, dass es eine junge Bache war, sie muss praktisch sofort nach dem Schuss tot gewesen sein und ist nur noch ca. 100 Meter weiter gelaufen, bereits klinisch tot. Banges Aufatmen. Die erste Sau wäre gefunden. Eventuell wurde aber eine zweite getroffen. Wir durchkämmen den Wald in Zweiergruppen noch weitere anderthalb Stunden. Nichts. Kein Anschuss, kein Blutstropfen, die Hunde sind nicht mehr mit vollem Herzen dabei. Ein letztes bisschen Unsicherheit bleibt immer, aber beide Hündinnen sind erfahren auf Nachsuchen, das Gelände wurde von beiden weiträumig abgesucht, nichts. 
Eigentlich wäre ich jetzt bereits fürs Bett, nachher geht es zum Schiessstand, aber das Schwein muss versorgt werden, wenn wir den Hauch einer Chance haben möchte, dass das Fleisch geniessbar bleibt.  

Totes Wild muss eigentlich sofort versorgt werden, die Eingeweide, das sogenannte Gescheide, muss sorgfältig entfernt, bei Schweinen eine Trichinenprobe genommen und beim Landratsamt abgegeben werden, damit man das Fleisch verzehren darf und kann. Der Wildkörper speichert die Wärme, die dafür sorgt, dass das Fleisch ungeniessbar wird, verhitzt. Pro Stunde geht die Temperatur nur um 1° Celsius zurück - wieder etwas gelernt. 
In der Wildkammer folgt die Ernüchterung, das Fleisch ist ungeniessbar. Die Sau war so klein, war es richtig, bis zum nächsten Morgen zu warten, und damit das Fleisch aufs Spiel zu setzen? Diese Frage hat sich sofort gestellt, andererseits: Nachts, allein nur mit dem Hund einem Wildschwein zu begegnen, das einem nicht wohl gesonnen ist? Schweine sind sehr wehrhaft, jedes Jahr werden viele Menschen und Hunde bei Zusammentreffen mit ihnen verletzt, manche sterben. Nein, dieses Risiko wäre eine Nachsuche auf eigene Faust mitten in der Nacht nicht wert gewesen.

Warum ich zur Jagd gehe? Weil mich heute morgen kein Traum so hätte fesseln können, wie diese Nachsuche, weil mir wenig so viel Motivation verleiht, wie die Jagd. Ich fühle mich, auch (noch) ohne Jagdschein, am richtigen Ort. Es entspringt meiner tiefsten Überzeugung, dass die allermeisten Jäger Gutes tun, sie bilden die Brücke zwischen wilder, alter Natur und neuen Anforderungen an unsere Umwelt. Es obliegt ihnen eine zerbrechliche Balance zu schaffen, in einem Lebensraum, an dem praktisch nichts mehr natürlich ist. Schiessen, ja, schiessen gehört sicher dazu. Es ist der kleinste Teil der Aufgabe und ein sehr schmerzhafter, wie meine Schulter mir heute Abend meldet.