Dienstag, 21. Juli 2015

Wozu Erlegerbilder?

Das Bild, schlimmer wies es nicht sein könnte. Ein gerade geschossener Bock mit Zigarette im Äser, daneben eine militärisch anmutende Waffe und ein nichtmal annähernd lustiger Text. So fanden es viele Jäger, die ebenfalls auf Facebook unterwegs sind, heute vor. Natürlich geht das Bild sofort durch alle Kanäle, in alle Gruppen, auch zu den Feinden der Jagd, denen das natürlich Wasser auf die Mühlen bedeutet. Ich frage mich schon seit längerem wozu ich eigentlich jeden Morgen, wenn ich meinen FB Account öffne, erstmal mindestens 10-15 Erlegerbilder vorfinde. Was soll das? Ich kann die Freude über einen Abschuss nun nachvollziehen, es ist ein unvergleichgliches Gefühl, jedenfalls war es das für mich. Freude, Trauer, Ehrfurcht, Ehrgeiz, und noch einige Gefühle, die in der heutigen Welt keinen Namen mehr haben, treffen sich zu einem Cocktail, der das Herz höher schlagen lässt. Natürlich muss die Gemeinde davon erfahren, das verstehe ich! Ich habe auch sofort meine Jagdgeschichte verfasst, weil es das Medium ist, das mir am meisten zusagt. Aber ein Bild habe ich nicht gepostet. Nein, wozu?  Wem dient es? Mir, weil ich dann besonders viele "likes" bekomme, die mein Dopaminzentrum noch eine Weile länger auf Kurs halten. Diese morgendlichen Erlegerbilder spiegeln nämlich die jagdliche Wahrheit in Deutschland gar nicht wieder, sie gaukeln den Gegnern eine Realität vor, die es so nicht gibt. Jäger geht raus, sieht nach 10 min ein Schwein, packt ein und geht heim. So einfach ist das nicht. Ich sass gestern Abend auch am Mais, versteckt auf einem Dreibein, was habe ich gesehen? Zwei Füchse und Sternschnuppen, vier Sternschnuppen, so viel Zeit, um in den Himmel zu schauen, hatte ich schon lang nicht mehr. Ich hab das Aufgehen der Sterne gesehen, diesen funkelnden Vorhang, der uns umarmt. Wunderschön! Sind es nicht diese Momente, an die uns ein Erlegerbild erinnern sollte? An die Mühe einer Pirsch, an das Herzklopfen vorm Schuss, an das Zittern danach, das ist zusammengefasst in einem oftmals schlechten Bild. Das sehen die Gegner der Jäger nicht und auch der breiten Öffentlichkeit ist das schwer verständlich zu machen. 

In diesem Fall, der heute morgen gepostet wurde, stört mich nicht nur das offensichtliche Verstossen gegen die ungeschriebenen Traditionen und Werte der Jagd, die nicht einfach nur tradiert sind, um Jäger zu ärgern. Der letzte Bissen wurde zum Beispiel dafür benutzt, dass in einer Zeit ohne Landis mit Seilzug das Tier nicht in den Rucksack blutete (wenigstens nicht aus dem Äser), so hat es mir mein Prüfer erklärt, der Bruch wurde als Erkennungszeichen für den rechtmässigen Schützen verteilt. Ja, heute bräuchten wir das nicht mehr, aber manche Dinge gehören einfach dazu, vielleicht waschen sie mit der Zeit aus, aber der gewollte Bruch mit der Zigarette geht mir deutlich zu weit. Vielmehr stört mich der Umgang mit dem Tier.  Ich sass sicher 20 Minuten neben "meinem" Bock, wie wenig Mitgefühl und wie wenig Respekt und Verantwortungsgefühl zeigt man gegenüber einem Tier mit dieser Zigarette? In einer Welt, in der wir soziale Kontakte gegen asoziale Netzwerke tauschen, zeigt ein "Jäger", eigentlich der Hüter des Wildes -so er es denn versteht- nicht mehr Mitgefühl mit diesem Tier, als ein Hundebesitzer, der seinen geliebten Hund im überhitzten Auto sterben lässt. Wo sind Mitgefühl und Respekt bei diesem Menschen gelandet? Zu welchen Taten ist jemand fähig, der sich so leichtfertig über das ihm anvertraute Wild lustig macht, die Pietät des Todes missachtet? Wie wenig zählt das Leben eines Tieres -und sei es der geringste Bock- für so eine Person. 

Ohne Frage ist dieses Erlegerbild furchtbar, aber ich frage mich trotzdem - können wir unsere  Erlebnisse, dazu gehören nunmal auch die Abschüsse, nicht anders präsentieren? Ein schönes Erlegerbild, professionell gemacht, weil man einen Pirschführer hatte und sich ein besonderes Geschenk gemacht hat, warum nicht. Aber diese "gestern Abend hats wieder gepasst"-Mentalität mit verwackeltem Handybild.. Ach bitte. Das muss nicht sein. 

Sonntag, 19. Juli 2015

Der erste Bock

Zugegeben, ich habe lange darauf gewartet, heute Abend hat es gepasst - ich habe meinen ersten Rehbock erlegt. Nach der bestanden Jagdprüfung war ich zunächst nicht fleissig genug draussen - zu wenig Zeit, aber dann. Selbst gemerkt, immer an den unmöglichsten Stellen, aber jagen lernt man auch wirklich nicht in der Schule, man muss es tun. Wind? Hat auch nicht immer gepasst, da war so vieles, das man irgendwie wissen sollte und dann doch erst rafft, wenns wirklich soweit ist.. Ich habe Böcke gesehen, die aber zu weit weg waren, oder das Gras zu hoch, oder was auch immer. 

Heute Abend hats gepasst, dabei war das eigentlich gar keine so gute Idee - ich war zu spät dran, aber irgendwie war mir nach "ab nach draussen" -  in dieser Zeit kann ich immer herrlich abschalten, ich habe immer ein Buch dabei, das ich allerdings selten lese, meinen obligatorischen Pfefferminztee hatte ich vergessen. Ach egal, ein Stündchen lesen, oder zwei und dann abbaumen. Das ist perfekt. Es war so richtig heiss, die Rehe würden sich also erst spät zeigen und wenn überhaupt, davon war ich eigentlicht fest überzeugt, wieder nur Geiss und Kitz. Den ersten Bock wollte ich eigentlich blatten. Also begann der Abend reichlich unspektakulär, ich hatte nicht einmal ein Eichhörnchen im Anblick und spielte etwas selbstvergessen mit meinem Handy herum und las ein wenig. Eigentlich verfluchte ich mich, denn in meinem langen Shirt war mir wahnsinnig heiss, aber was tut man nicht der Tarnung zuliebe und gegen Mücken - so ein Bad im Rhein, das wäre sooo viel cleverer gewesen. Aber jagen macht süchtig, besonders, wenn man immer so schönen Anblick hat, wie ich bisher immer hatte, auch wenns nie gepasst hat. 
Immer wieder hab ich mit meinem Fernglas den Waldrand abgesucht, nichts, nichts und wieder nichts. Aber dann, auch einmal, zwei braune Flecken - die beiden hatte ich nicht gehört, obwohl es so manches mal im Unterholz geknackst und geraschelt hat. Beide gleich gross... Naaa.... Da narrt mich doch wieder jemand. Fernglas hoch. Und lang angesprochen, weil ich mir erst nur die Geiss angeschaut hatte. Ein wunderschönes Tier. Dann zum zweiten Tier, ihr vermeintliches Kitz. Die Hitze konnte mir nicht gut tun, Kitze haben kein Gehörn. Aber das war da, ganz deutlich. Ich hab geschaut und geschaut, um wirklich ganz sicher zu gehen. Je länger, umso stärker klopfte mein Herz, komischerweise waren meine Hände völlig ruhig, aber mein Herz, den Herzschlag mussten die Tiere hören, aber sie blieben ruhig stehen und ästen ohne zu sichern. Waffe hoch, Anschlag, Zielfernrohr eingestellt, wie in der Jagdschule gelernt. Beim Schreiben dieser Zeilen fängt mein Herz wieder an zu klopfen. Waffe entsichert, nochmal geprüft, ob die Geiss weit genug entfernt steht, gewartet, bis der Bock wirklich ganz breit stand. 

In dem Moment, als mein Finger sich beugte überraschte mich der Schuss selbst, ich hatte offenbar ausgeatmet und gleichzeitig - wie im Training - den Finger gekrümmt, als der kleine rote Punkt genau auf dem Herz des Böckchens stand. Wie gelernt schaute ich gebannt auf das Tier, es lief weg, als wäre nichts gewesen, Kopf hoch - ohjemine, das hatte ich anders gelernt. Nachrepetiert, und gesehen, wie der Bock nach wenigen Sprüngen plötzlich umfiel. Danach finde mein ganzer Körper an zu zittern, alles gut, sitzen bleiben, dem Tier Zeit lassen zu sterben. So hatten wir es in der Jagdschule gelernt. Nichts regte sich, nur die Geiss stand im Wald und schreckte. Furchtbar lang, laut. Rehe sind ja Einzelgänger, aber ich bilde mir ein, dass es ein Klagelied war. Ich möchte mir das einbilden dürfen. Zitterig wie ich war schloss ich die Fenster der Kanzel , warum auch immer, und baumte ab. Ich nahm nur meine Waffe mit, mein Ziel ganz klar, zu dem Bock hin. Um mich zu entschuldigen beim Tier, um einen Moment innezuhalten. Mir ist bewusst, dass dieser Abschuss gerechtfertigt und richtig war. Trotzdem liegt dort ein Tier zu deinen Füssen. Ganz frank und frei, ich habe mehr als eine Träne vergossen, einem Tier das Leben zu nehmen sollte nichts alltägliches werden. 

Mit dem Mann an meiner Seite gab es natürlich das obligatorische Erlegerbild, ich habe mir überlegt, ob ich es posten möchte. Nein, ich werde es für mich behalten, es war so ein privater Augenblick, das erste Mal "Waidmannsdank" sagen und dabei die Freude des anderen spüren. Unnachahmlich. 

Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust, das Fleisch wird wahnsinnig lecker sein, es wird wieder Platz für all die Kitze und jungen Böcke geben und  trotzdem ist es ein Individuum, dessen Leben ich durch meine Hand ausgelöscht habe. Ob ich stolz darauf bin? Nein. Stolz wäre das falsche Wort, ich freue mich, dass ich offenbar mittlerweile begreife, wie Jagd funktioniert - und doch gibt es noch so viel zu lernen. Ehrfürchtig wäre zu pathetisch. Genau wie das Bild und den Bruch werde ich die Trophäe, sprich das Gehörn dieses Bockes in Ehren halten. Ich werde ihn mir an die Wand hängen, um diesen Abend und dieses Gefühl nie zu vergessen. Ich möchte mich an den Anblick dieses Tieres auf der Wiese erinnern können, dafür steht für mich die Trophäe. 

Meine beiden Mädels waren da bedeutend schmerzbefreiter, sie haben sich ungemein über den Pansen, Herz, Milz, Nieren und Leber gefreut, schliesslich haben sie all die Stunden auf dem Ansitz brav auf mich gewartet, das war mein Dankeschön. Wenn es nach ihnen ginge, dann könnte ich morgen gleich weitermachen. 

Waidmannsdank. 

Mittwoch, 8. Juli 2015

Die Amazonen

Jägerinnen sind eine ganz besondere Sorte Frau, wir sind hart im Nehmen, wissen, dass wir uns behaupten müssen und gleichzeitig repräsentieren wir die feminine Seite der Jagd. In ein Klischee kann man uns nicht drücken, wir sind selten dick (warum, dazu komme ich gleich), sportlich, ambitioniert und genussvoll. Wir sind einfach unglaublich :)
Viele Jägerinnen sind oder waren ebenfalls Reiterinnen, bei näherer Betrachtung fällt das gleich auf. Warum? Ich vermute, dass es etwas mit dem Biss zu tun hat. Männer sind meistens ja sowieso ambitioniert, wer schiesst den schönsten Bock? Wer kriegt am meisten Schweine, wer pirscht am besten. In den Mädelsforen wird das nur peripher diskutiert. Ich freu mich immer, wenn die anderen Mädels etwas erjagen können. Aber Reiterinnen und Jägerinnen haben Biss es durchzusitzen, zu warten, Geduld lernt man auf dem Pferd, wenn man schon hundert Mal unten lag und es immer noch nicht aufgibt. Biss sowieso. Irgendwann kommt der Bock. Der Moment kommt, wo du dich auf dem bockenden Pferd halten kannst (Haltungsnoten gibts ja nicht). So einfach. Jede Reiterin weiss das, jede Jägerin auch. 
Ausserdem sind sowohl Jägerinnen als auch Reiterinnen gewohnt, dass sie dumme Sprüche kassieren, von Männern, Frauen, anderen Reiterinnen, Menschen, die nicht reiten, wie mans macht, man macht es sowieso nicht richtig "Wieso bist du so viel beim Gaul?" "Wieso gehst du so oft zur Jagd?" "Du Tierlitöterin" "Du Tierquälerin, das arme Pferd" ""Ich mag Pferd am liebsten mit Kräuterbutter!" "Möchtest du mir mal den Boden vor deinem Waffenschrank zeigen?"...... Jaaaa...... Wir können darüber lachen und im Stillen "Ar****" denken. Jagdgegner? Nicht schlimmer als ein lästiger Schnupfen, wir kennen eure "Argumente", wisst ihr was? Es kratzt uns nicht, wir haben jahreland mit anderen, zum Teil sehr viel missgünstigeren Weibern im gleichen Stall geritten, dagegen sind eure Hasstirade eine Pusteblume.

Nur Weiber können anderen Mädels das Leben zur Hölle machen. Da liegt der Hund begraben, irgendwann haben die coolen Mädels die Schnauze voll von Zickenkriegen. Deshalb ziehen unsere Pferde auf Weiden oder in Ställe, wo die Frauenmaximaldichte bei 2/ha liegt. Das ist vollkommen akzeptabel. Da wir bereits jahrelang Erfahrung darin haben, wie es ist unter Frauen/Mädels/Weibern zu sein, suchen wir uns also eine Beschäftigung, die dem Reiten maximal ähnlich ist, aber trotz allem so wenig wie möglich Frauen beinhaltet. Jagen. Jagen ist die Antwort auf die Frage: Wo kann ich auf hohem Niveau mit Tieren (Jagdhunden) arbeiten, meine Ruhe finden, anstrengenden Sport treiben, der nicht in einem Zimmer mit anderen schwitzenden Weibern stattfindet, mein kluges Köpfchen einsetzen, ab und an gepflegt einen über den Durst trinken, der Natur nah sein und vielleicht sogar etwas für die Umwelt tun. Genau. Da sind wir. Jagen. Natürlich beinhaltet es noch, auch ganz Amazone, die Essensbeschaffung, wobei ich bei meinem Glück derzeit Vegetarierin sein müsste.


Reiterinnen bringen ausserdem eine ganz wichtige Eigenschaft zur Jägerei mit. Uns ist nämlich bewusst, dass Wetter oft ein fieser Begleiter ist. Wir wissen, dass nicht alles so hübsch rosa ist in der Wetterwelt, wie uns der Wetterdienst weissmachen will. Wir wissen, dass Neuschnee nicht heisst, dass man durch eine leicht wattierte Welt geht - bei Sonnenschein und blauem Himmel, sondern wir wissen, wie fies nass und kalt Neuschnee ist, wenn er den Schal durchweicht hat. Wir wissen, wie wir uns anziehen müssen, damit wir im Schrittausritt nicht auf dem Sattel festfrieren und welche Handschuhe die wärmsten sind. Wir wissen, dass wir auf Drückjagden mindestens noch 4 mal Wechselklamotte dabei haben müssen, weil Männer Frauen nicht schonen. 2 Kilometer Fichtenschonung mit Brombeerbewuchs? Hei Mädels, das ist euer Trieb! Haha! Kleinere Blessuren nehmen wir ohne mit der Wimper zu zucken hin und wir kennen die Vorteile von wasserfester Mascara, nicht weil wir heulen, sondern weil wir schwitzen. Reiterinnen wissen bereits vor dem ersten Sommeransitz, welches Mückenmittel besonders gut hilft (das ist nämlich von Haut zu Haut verschieden) und wie sehr die Bisse von Pferdebremsen weh tun (und das sie selbst durch Jeans stechen, diese Biester). Die Ration Quark liegt bei richtig fiesen Stichen griffbereit im Kühlschrank.

Wir erkennen Gangabnormalitäten bei allen Waldtieren sofort, denn wer ein lahmendes Pferd erkennt, der weiss auch, wie ein lahmendes Reh aussieht. Wir wissen, dass man im Frühjahr von plötzlichen Kälteeinbrüchen immer dann heimgesucht wird, wenn man garantiert nichts Warmes zum Anziehen dabei hat und beugen dem bereits im Ansatz vor. Reiterinnen haben ebenfalls keine Scheu vor allerlei "ekligen" Dingen. "Komm, wir helfen beim Hufabszess ausschneiden", wer den Spruch einmal überlebt hat, der kann auch locker aufbrechen, ohne dass sie umfällt. Was unsere werten Mitjäger nicht wissen, Reiterinnen wissen, wie man in 5 Minunten einen Hengst im Stehen kastrieren kann. 
Ausserdem sind wir -obwohl ihr die Bilder von uns im ladypinken Turnierdress gesehen habt- längst keine Tussen. Oder meint ihr etwa, dass wir die Boxen unserer Pferde nicht selber sauber machen können? Wer schon einmal versucht hat einen Hengst an einer rossigen Stute vorbeizuführen, oder einen lahmenden Gaul im Winter auf Anraten des Tierarztes in der Box mit 5 Minuten Schritt pro Tag gehalten hat, der hat auch keine Angst vor einem Wildschwein.

Reiten ist ne prima Sache, aber nur die tollsten Reiterinnen werden Jägerinnen, echte Amazonen. Habt ihr jetzt auch verstanden, richtig?!