Freitag, 19. Juni 2015

Einarbeitung im Sauengatter

Ein wichtiges, oder vielleicht mein wichtigstes Thema ist die Hundearbeit, wenn es um Jagd geht. Jagd ohne Hund ist Schund und dazu stehe ich auch. Im dümmsten Fall muss ich ein bisschen bei der tatsächlichen Jagdausübung zurückstecken, um dafür toll ausgebildete Hunde zu haben. Vor sieben Wochen ist Freya bei mir eingezogen, eine Deutsch-Drahthaar Hündin, die vorher ein fieses Leben im Zwinger gefristet hat und naja, es kommt immer anders, als man denkt. Sie ist ein bisschen zu stürmisch, ein absoluter Arbeitshund, deren Motivationsspritze ich derzeit suche (oder bereits gefunden habe, mit der ich aber noch nicht so viel anfangen kann.. ein ander Mal mehr dazu). Eule oder Trine, wie sie im Hausgebrauch heisst, ist nämlich scharf wie Nachbars Lumpi. Bei Lotti, meiner Beagleine weiss ich ja, auf was ich mich einlasse. Ich kenne sie, seit sie 8 Wochen alt ist und kenne ihre Schliche und ihre "Schärfe" am Wild. Sie ist eine richtige Schubserin, sie schubst gerne Rehe und weniger gern Schweine. Sie liebt Nasenarbeit und rastet fast aus, wenn es zur Drückjagd geht. Mit Schweinen würd sie sich nie anlegen, da bin ich mir immer sicher gewesen. Freya hingegen ist eine Wundertüte. Bevor ich also viel Zeit und Geld in Schweisshundekurse stecke und sie am Ende nichts dümmer findet als Wildschweine, fühlte ich mich dazu aufgefordert meinem Ausbilder in der Jagdschule Folge zu leisten und meine Hunde in einem geordneten Rahmen den Wildschweinen vorzustellen. Dazu gibt es Wildschweingatter, wo die Hunde in Kontakt mit den Schweinen kommen können. 
Mit wenig Schlaf und richtig mulmigem Gefühl fuhr ich also los, sowas hatte ich noch nie gemacht. Keine Ahnung, kein Schimmer. Mitbringen sollte ich erstmal nichts ausser mir und den Hunden. Natürlich hatte ich voher ehrlich geschrieben, dass ich und die Hunde keine Ahnung hätten und Freya eine Wundertüte sei. 
Der Ort war erwartungsgemäss unspektakulär, es roch nichtmal gross nach Schweinen und war einfach Wald mit Zaun drumrum. Bei näherkommen sah ich aber schon eine ordentlich grosse Bache, die offenbar mit ihrem Betreuer spielte. Wer denkt, dass die Tiere gestresst sind, der irrt also gewaltig. Vorgestellt, mordsnett begrüsst worden, wie das halt unter Jägern so üblich ist. Mein Handschweiss senkte sich auf Normalniveau. Ich erklärte nochmal alles ausführlich: "Macht doch nichts. Es ist nie zu spät Hunde einzuarbeiten und auch Beagles können etwas lernen." Pouh, auch das grummlige Gefühl in meiner Magengegend liess nach, normalerweise werden genau die nämlich als Deppen vom Dienst angeschaut. Nicht wildscharfe Engländer, denen der deutsche Jäger wenig abgewinnen kann, wegen ihr wäre ich eigentlich auch nicht gefahren. Freya, das braune Teufelinchen interessierte mich brennend. 
Zunächst aber war Lotti dran, wir gingen zu den "Kindergartenschweinen", die beiden stellen sich nicht, sondern laufen einfach weg und legen sich, wenn sie das Gefühl haben, dass sie genug getan haben, einfach wieder hin. Lotti war an der Leine ungehalten und wollte los, die Schweine im Anblick schnallte ich sie (ich befreite sie von Leine und Halsband) und sie spurtete etwas vorlaut los. Für den Moment wars das aber auch, die Gattermeisterin fragte mich, was mein Ziel wäre. Naja, ein bisschen Bewegung reinbringen darf sie ja schon. Also spurtete ich meinem unglaublichen flinken, johlenden Beagle hinterher, die die Jagd mit Frauchen eindeutig besser fand, als alleine da rumzuhampeln. Ich merkte, wie sie an Selbstvertrauen gewann und Spass daran hatte den Schweinen hinterherzujagen. Trotzdem war ich wahnsinnig beruhig, als meine Begleiterin mir deutlich sagte, dass sie wohl nie eng an Schweinen jagen wird. Völlig ok, wenn sie genug Selbstvertrauen hat, sie laut zu jagen, dann reicht mir das bei ihr völlig. Lotti kam brav und völlig happy auf Abruf und ich war stolz. So ein gutes Mädchen. 

Dann, meine Wundertüte. Was soll ich sagen. Anfeuern musste ich sie nicht, es wirkte fast so, als ob sie es vermisste, dass die Schweine sich nicht stellten. Sie animierte sie schon fast. An Abruf war nicht zu denken, sie trieb die beiden Wildschweine vor sich her, als hätte sie nie etwas anderes getan. Die Schweine hatten deutlich einen Schritt schneller drauf, als bei Lotti und versuchten Freya abzuschütteln, was aber nicht gelang. Unglaublich schnell schlug meine Hündin Haken hinterher, setzte über jeden Busch. Abruf? Fehlanzeige. So eine blöde Ziege, das hatten wir so geübt. Aber was erwarte ich? Der Hund ist 7 Wochen bei mir und darf vermutlich eines der wenigen Male in seinem Leben das tun, wozu er gezüchtet wurde. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich (völlig aussichtslos) versuchte den Schweinen und dem Hund hinterherzuhechten, um mich auf meinen Hund zu werfen, kam sie an. Glücklich. Überglücklich. Die Schweine verschwanden in ihrer Suhle. Gestresst sahen sie nicht aus, sondern schmissen sich genüsslichst in den Dreck, als hätten sie das Fitnessprogramm des Tages hinter sich. Natürlich ist nur eine sehr kleine, beschränkte Anzahl Hunde in den Gattern zugelassen, aber ein gestresstes Schwein sieht anders aus. Nach dieser Vorstellung wurde die Gattermeisterin mehr als deutlich: "Dieser Hund braucht eine Weste, die schreckt vor nichts zurück. Nochmal kommen muss sie auch, die muss wissen, wie es anfühlt, wenn so eine Sau sich stellt und sie annimmt." Es stand auch für mich ausser Frage, dass ich in eine Schutzweste investieren werde, ausserdem bin ich mehr als froh, dass ich weiss, wie mein Hund auf Wildschweine im Angang reagiert. Beim zweiten Termin wird sich zeigen, wieviel Herz sie hat. Meine Prognose: viel. Sie wird nicht locker lassen. Meine Hoffnung: vielleicht nicht so viel, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzt. 

Schlussendlich ist mir sehr bewusst geworden, wieviel ich von meinen Hunden verlange, wieviel sie mir geben und ich diese Hingabe an manchen Tagen zu wenig ernst nehme. Lotti hat die Schweine definitiv nicht wegen ihr, sondern für mich gejagt. Sie hätte sie angebellt und das wärs gewesen. Freya klar, sie hat es für sich getan, aus Freude. Gleichwohl stellt dieser Besuch für jede folgende Drückjagd Weichen, die ich nicht mehr rückgängig machen kann. Gute und schlechte. Die Hunde wissen, auf was sie sich einlassen, können Wildschweinen besser begegnen. Andererseits, werden sie nicht zu viel Mut haben? Die Kindergartenschweine sind viel, viel freundicher, als jedes wilde Schwein. Spüren sie den Unterschied? Ich kann es nur hoffen. Trotzdem verspreche ich mir, dass meine Hunde besser vorbereitet sind. Wer mit Hunden jagt, geht immer das Risiko ein, sie zu verlieren. Ob ich sie deshalb nicht mehr mitnehmen würde? Sicher nicht, es gehört zu ihrem Naturell, Lottis strahlendes, völlig verdrecktes Beaglegesicht zu sehen, wenn sie sich Käse stibitzen kommt an einer Drückjagd - unbezahlbar. Ihr Glück, wenn sie wieder abschnürt, um kurz darauf wieder in ihren Spurlaut zu verfallen. Nein, für kein Geld der Welt möchte ich es ihr nehmen. Die Angst habe ich im Rucksack dabei. Wir drei werden Jägerinnen, hoffentlich gute und waidgerechte, die beiden sind meine Schätze, auf deren Nase und deren Instinkte ich mich verlassen kann. Dazu muss ich sie tun lassen, was Jagdhunde tun. Auch wenn es das vorzeitige Ende bedeuten kann. 

Dienstag, 2. Juni 2015

Was ich jag`, das neckt mich...

Endlich hab ichs geschafft. Jagdschein in der Tasche, ich kann es manchmal noch gar nicht so richtig fassen und fühle mich wie eine Königin, wenn ich mit der Waffe auf dem Rücken durch den Wald spaziere oder ansitzen gehe.
Geschossen habe ich noch nichts, gesehen zwar schon so einiges, aber es hat immer noch recht für den perfekten Schuss gepasst und da ich mich nicht hetzen lassen möchte, warte ich lieber.
Dieses Warten, meine Güte. Ich war ja früher schon oft ansitzen, aber nun, mit der Waffe dabei, fühlt es sich viel "ernsthafter" an. Kein Witz! Früher wusste ich, ob ich was sehe, oder nicht. Egal, das ist meine Freude. Heute kitzelt es schon manchmal, sehe ich was? Klappt es heute?

Heute morgen war ich ehrlich gesagt wirklich etwas kitzlig drauf, mein Wecker war um 3.30 gestellt (früher wäre ich niemals auf die Idee gekommen so früh aufzustehen), ich war aber bereits um 3 Uhr wach und irgendwie ready to go. Also meine Mädels noch etwas schlafen lassen, meinen obligatorischen Pfefferminztee mit Zitrone gemacht - ich liebe Pfefferminztee, mit Zitrone ists einfach perfekt, und gehört auf den Ansitz. Ich hab sogar das erste Mal mein Buch vergessen, eigentlich hatte ich immer eins in meinem überdimensionierten Jagdrucksack, aber morgendlich Ansitz bieten ein derart grandioses Vogelkonzert... Das sollte man sich nicht entgehen lassen. Ausserdem ists spannend, was da so kreucht und fleucht. Und wie gesagt, ich war innerlich unruhig.
meine beiden Hundedamen ins Auto verfrachtet, die waren so müde, dass sie vergessen haben zu pieseln, Gewehr geholt und los.
Im Wald hab ich die Hunde direkt im Auto gelassen. Aber ehrlich, es ist schon mulmig nachts allein durch den Wald zu laufen, ich bilde mir immer ein besser geschützt zu sein, wenn ich die Waffe dabei habe. Aber das ist natürlich Blödsinn. Beruhigt aber ungemein.
Bis zum Abend vorher war ich mir nicht sicher, wo ich mich hinsetzen wollte. An eine Kirrung, klar. Vielleicht kommen ja Schweine vorbei.. Aber welche? Ich bin noch keine erfahrene Jägerin, daher spreche ich mich mit meinen Mitjägern ab, aber schlussendlich muss ich selbst entscheiden. Dazu gibt es keine schlauen Bücher, da muss ich nun einfach so durch. Versuch macht kluch, sagt man doch so salopp. Die Kirrungen war in letzter Zeit eigentlich gut angenommen, sprich, da könnte was gehen. Aber wann kommen sie. Voller Spannung und das erste Mal wirklich leise, ohne irgendwo anzudütschen, ohne grossartig auf Äste zu treten (man glaubt gar nicht, wie schwierig das ist!) oder andere Katastrophen hab ich den Sitz erreicht und mich dort leise eingerichtet.
Wieviel man lernt ist unglaublich, ich kann mittlerweile praktisch lautlos die Kanzelfenster öffnen, nur mein Tee. Da plätschert es halt etwas, aber das ist kurz und das muss einfach sein.

Eingerichtet und fertig, endlich. Fernglas hoch. Oh man, die Kirrung ist leer. Die Schweine waren schon da. Naja, macht nichts. Vielleicht kommt ein Rehbock vorbei, die wären auch noch offen.
Aber es passiert lange nicht. Gar nichts. Ich sehe zwei Mäusebussarde bei der Jagd, was mich ungemein fasziniert hat, zwei Eichelhäher verraten meinen Sitzplatz durch ihr Gekreische. Diese Vögel sind wirklich Petzen, eine ziemlich zerrupfte Fuchsfähe schleicht eilig zurück in ihren Bau.
auf einmal höre ich sie. Rehe. Das heisere Schrecken erkenne ich sofort. Ungefähr genau dort, wo ich vorgestern Abend lange angesessen habe. Super, was wäre meine zweite Option gewesen.
Was tun? Sitzen bleiben? Hochfahren ist gar keine Option. Abbaumen und heimfahren mag ich auch noch nicht. Pirschen. Noch nie gemacht. Wie geht das? Langsam. Klar. Leise. Auch klar. Immer den Wind im Gesicht. Ok. Ich baume also leise und vorsichtig ab und gehe dem Waldweg leise und langsam nach, bis ich auf den Wechsel komme, wo ich Rehe vermute. Leise und langsam. Wie in Zeitlupe. Meine Waffe hab ich auf dem Rücken, ganz schön schwer auf jeden Schritt zu achten, leise zu sein, auf nichts zu treten. Aber hei. Es klappt. Vor mir stehen zwei Rehe. Ein Schmalreh und eine Geiss mit dicker Spinne, also Gesäuge unter dem Bauch. Aber es passt wieder nicht, kein Kugelfang. Komisch, das etwas, das sich in meinem kopf festgesetzt hat: Kugelfang ist nur gewachsener Boden. Keine Strassen, keine Wege, einfach nur Boden. Ich schaue den beiden eine Weile zu und mache mich leise auf den Rückzug.

Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht, meine heutige Jagd war spannend, so spannend, wie noch keine. Ich bin zwar wieder einmal ohne Beute nach Hause, aber das kommt, da bin ich sicher.
Erlebnisse, wie heute morgen sind für mich wertvoller und prägender. Einfach wunderbar.