Freitag, 23. Januar 2015

Macht es doch besser!

Seien wir mal ehrlich, die Jägerschaft steht auf einem absteigenden Ast, in der Bevölkerung werden immer nur die schiesswütigen Idioten wahrgenommen, die aus der Oberschicht mit dicken Autos durch den Wald rasen und alles totschiessen, was ihnen vor die Flinte läuft. (Wenn ich also dazugehöre, warum fahre ich dann den allerkleinsten Peugeot?...Egal...)
Je länger, je mehr frage ich mich, warum versuchen es die Kritiker nicht besser zu machen? Es steht jedem Mensch in Deutschland und in der Schweiz frei einen Jagdschein zu machen, dafür zu lernen und sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Es steht jedem frei nach Ablauf von 3 Jahren, in denen er den Schein hat, ein Revier zu pachten und dieses nach eigenem Gutdünken zu führen. 

Im Internet wird gegen die Jäger aufbegehrt, jeder tote Jäger sei ein guter Jäger, das Jubelgeschrei, wenn einer stirbt erinnert an Kindergartenkinder beim Indianer spielen, wenn es nicht so traurig wäre. Jeder Jagdgegner könnte gegen Aufwand von Geld, das ihm sicher von seinen befreundeten Jagdgegnern gespendet würde, ein Revier leiten. 
Jetzt wird es hier aber ganz schön schwierig, denn das eigene Gutdünken muss man etwas relativieren, im Wald ist man nie allein. Auch andere Parteien haben ein Interesse an einem gesundem Wald, da dieser Kapital bedeutet. Wie ein Acker, der sehr viel langsamer wächst. Die hauen die Bäume da nämlich nicht nur zum Spass raus, sondern weil die richtig Geld bringen. Dazu müssen die Bäume aber so unversehrt wie nur möglich sein, bei Horden von Rehen, die im Winter die Rinde anfressen - schwer möglich. Es wird also ein Mindestabschuss von Rehen festgelegt, den der Pächter nachweisen muss. MUSS. Ich schreibe das nochmal extra gross. Rehabschuss ist also keine freiwillige Angelegenheit. Erfüllt man den nicht, dann zahlt man eine Strafe.
Je mehr Bäume angefressen, umso schlechter, umso mehr Rehe müssen weichen, so ungefähr siehts aus. Denn jeder Baum ist bares Geld und nur Bares ist Wahres. 

Der Jagdgegnger denkt sich hier vielleicht, super, dann mach ich den Schein doch - die paar Rehe, die vertreibe ich. 

Aber wir haben da noch eine Handvoll mehr Tiere, die den Wald besiedeln. Ich nehm mal nur eins. Wildschweine. Wildschweine sind super, sie sind im Wald sogar richtig nützlich. Wenn sie den Boden umpflügen und aufwühlen, dann freut sich der Förster. Der hat nämlich keinen Pflug, aber der hat die Wildschweine. Wenn sie Frischlinge haben, dann sind sie zwar auch für den holzenden Förster unangenehm, aber der ist meistens eh so laut, dass die Schweine lieber wegbleiben. Warum jagt man sie dann? Die sind doch super!!! So süss und dann grunzen sie, niedlich. Sie übertragen tödliche Krankheiten auf den Hund, aber auch nur dann, wenn der dran leckt. Ach iwooo, die lassen wir im Wald. 
Familie Schwein ist aber ausgesprochen clever. Die zupfen nämlich nicht nur hier und da ein Blättchen von den Bäumen, wie die Rehe, sondern die stehen auf süss. Süss heisst nämlich: Energie. Energie, um viele kleine Schweinekinder zu machen. Süss im Wald, gibts nicht... Aber der Bauer, der hat da eine Bombenidee: Mais. Mais und Maisstärke sind gute Energielieferanten für unsere Schweine. Die hauen sich auf den Feldern den Bauch so richtig voll. Wenn sie können. Der Bauer kann darüber nämlich gar nicht lachen und bittet den Jäger was dagegen zu unternehmen, der setzt fleissig Zäune (die er selber bezahlt, aber das machen die Jungs von der Jagdgegnerei sicher auch mit Spendengeldern aus der eigenen Gönnerschaft). Wenn die Schweinderln sich dann trotz allem die Plauze vollhauen, dann bittet der Bauer den Jäger zur Kasse. Das machen die Jungs und vorallem Mädels der Jagdgegner dann sicher auch mit Spendengeldern wieder wett... Dann müssen sie kein Schwein schiessen, haben aber nach sehr kurzer Zeit ziemlich Ärger mit dem Bauern. Der möchte mit dem Mais nämlich eigentlich seine eigenen Tiere versorgen. Der baut das nicht nur zum Spass an. 

Aber der Mais ist ja irgendwann wieder weg, dann muss man keine Schweine mehr schiessen, obwohl gerade dann eigentlich eine ganz gute Zeit wäre, weil man sie einfach sieht. Jetzt hätte man als Jagdgegner endlich Zeit den Wald Wald und die Tiere Tiere sein zu lassen und sich auszuruhen. Aber die Schweine, die brauchen nach den Mais Kohlehydraten wie jeder Allesfresser dringend Proteine, damit das System funktioniert. Eiweiss. Findet sich auch in Quinoa, das Veganer gern essen, aber das findet sich nicht im Wald. Schweine sind da unzimperlich, die fressen, wie die Dschungelcampbewohner auch: Larven, Insekten, Mäuse. Känguruhhoden haben sie noch nicht gekriegt, aber ich schwöre, die fänden sie bombig. Sowas findet sich aber auch nicht unter den Wurzelstöcken der Bäume, sondern achso praktisch, auf den Wiesen, oder besser, darunter. Wiesen, die der Bauer gerne zur Heugewinnung nutzen möchte. Welch Dilemma... Das müssen die Jäger nämlich auch noch zahlen, wenn die Wiesen wie Äcker aussehen, der Bauer findet das Argument, dass die Schweine ihm den Pflug ersetzt haben, nämlich gar nicht lustig. Auch hier geht ihm Geld verloren, das bezahlt werden muss. Genau, von dem, der das Revier leitet. 
Jagdgegner monieren gern, dass die Schweine im Wald gefüttert werden, damit sie richtig schön dick werden. Kleine Rechnung: pro ha darf man 1l Mais ausbringen, bei uns gibts eine Rotte mit 30 Sauen. Wenn die sich nur von einem Liter Mais pro Tag ernähren würden (den sie nicht mal jeden Tag holen kommen), dann hätten die Heidi Klums Figur. Schwein mit Taille. 

Das Argument, dass Prädatoren wie Luchs und Wolf das Problem schon lösen, lasse ich nicht gelten. Einerseits gibt es wenig Gegenden, wo diese Tiere den Platz finden, den sie brauchen. Andrerseits - wäre ich Wolf, ich würde doch auch erstmal die dummen Schafe, dann die blöden Rehe fressen (die sind echt nicht superhelle, wirklich), bevor ich mich als Wolf an eine 70 kg Sau traue, die mich hässlich verletzen kann. Denen würde ich heitere Koexistenz anbieten und ab und an mal einen Frischling klauen, bevor ich mich mit Mama Sau anlege. 

Es ist deutlich einfacher, sich einen Breitbandinternetzugang zuzulegen, als sich wirklich in den Wald zu stellen. Theorie im Internet und Praxis im Wald könnten nicht weiter auseinanderliegen. 


Eine der seltensten Fähigkeiten ist die Fähigkeit, Fähigkeiten anzuerkennen. (Hubbard)


Sonntag, 11. Januar 2015

Warum...

Heute morgen, es ist Sonntag, fand ich mich schwitzend, völlig durchnässt und frierend um acht Uhr morgens im Wald wieder. Der deutsche Wetterdienst hatte eine Unwetterwarnung herausgegeben, den Wald sollte man tunlichst meiden. Es sei zu gefährlich im Wald, am besten, man bliebe daheim.
Ich stolperte mehr schlecht als recht diesem orangen Bändchen hinterher, an dessen anderem Ende eine langsam, aber stetig suchende Weimaranerhündin hing, zwischen uns lief noch ihr Herrchen. 
Der Boden war tief, es regnete, meine Warnweste und meine Regenjacke hatte ich noch vor dem ersten Kaffee daheim gelassen - vergessen. 
Nachts um eins hatte ich einen Anruf verpasst, Sau angeschossen ab, morgen früh wird nachgesucht. Eben dort stand ich jetzt. Nachsuche, Traum und Alptraum gleichermassen. 
Traum, weil es das wohl intensivste Erlebnis ist, das man mit seinem Hund teilen kann. So jung wie ich bin, so sehr wünsche ich mir, dass ich mich eines Tages geprüfte Nachsuchenführerin schimpfen darf. 
Alptraum, weil eine Nachsuche heisst, dass ein Tier nach dem Schuss nicht sofort gefunden wurde. Jäger werden gerne als schiesswütige, betrunkene Idioten dargestellt, aber unter mir lief mein Jagdkollege, völlig durchnächtigt, Ringe unter den Augen, den eigenen Hund an der Strippe mit gefurchtem Gesicht. Der hatte keine gute Nacht gehabt - die Sorgenfalten in seinem Gesicht zeichneten ein deutliches Bild. 
Die Sau war in den Steilhang gezogen, den die Weimaranerhündin nun mit ihrem Vierpfotenantrieb ohne zu hecheln bergan ging. Wir unzulänglichen Zweibeiner hinterher, nur einige wenige Blutstropfen verrieten uns, dass die Weimaranerhündin auf dem richtigen Weg war das verletzte oder tote Tier zu finden. Was uns dort erwarten würde - ungewiss. Nachsuchen sind immer unberechenbar, selbst eindeutige Zeichen können täuschen. Beide Hunde, der Korthals Griffon und der Weimaraner waren aber auf der richtigen Fährte- trotz widrigster Wetterbedingungen, Regen, Schneematsch, tiefem, schlammigen Boden, Sturm über uns- war beiden der Eifer anzusehen.
Meine Beageline, die ebenfalls gerne ihre Nase benutzt, fiel mir ein, sie musste im Auto warten, zu gefährlich für einen nicht wildscharfen Hund sich mit einem eventuell lebendigen und wahrscheinlich nicht hocherfreutem Wildschwein anzulegen.  Sie durfte sich nochmal einrollen und weiterschlafen. 

Früher war ich Sonntags nie vor zehn, meistens aber nicht vor elf Uhr aus dem Bett gekrabbelt, seit ich nun aber eine Jagdgelegenheit gefunden habe, kann ich mir an sehr wenigen Finger abzählen, wie oft ich morgens noch ausgeschlafen habe. Ob es mir fehlt? Vielleicht, andererseits sind die Erlebnisse und Eindrücke, die ich -ohne Waffe- zur Jagd mache, so unglaublich, dass ich mich frage, was ich früher mit dieser Zeit angefangen habe.  Da man im Wald leise sein sollte, hat man viel Zeit sich mit sich selbst zu beschäftigen. Ich denke anfangs, wenn ich allein unterwegs bin, immer viel nach, denke Gedankenstränge fertig, denen man sonst nie nachhängen kann, bis es irgendwann still ist im Kopf. 

Heute morgen war es aber immer still in der Murmel, einen Schritt vor den nächsten, möglichst wenig stolpern.  Jedes Knacken im Unterholz bringt die angespannten Nerven zum Vibrieren, aber die Weimaranerhündin blieb besonnen und ruhig, sie hat Erfahrung, weiss, was sie erwartet. Manchmal schaut sie mit vorwurfsvollem Blick zu uns zurück, wenn es wieder nicht schnell genug den Steilhang hinauf geht, unzulängliche Zweibeiner, aber sie ist gütig und wartet, bis Herrchen wieder steht und es weitergehen kann. Diesen beiden bei der Nachsuche zuzusehen lässt mir die Tränen in die Augen steigen, genau das, für die Möglichkeit mit meinem Hund so nah zu arbeiten, dafür würde ich viele Dinge in meinem Leben aufgeben.
An einem dicken Stamm wird die Weimaranerhündin zum ersten Mal unruhiger, geht mehrmals um den Baum herum, Herrchen nimmt sie zurück, weist ihr nochmals den Weg. Aber sie ist sich sicher, an diesem Stamm ist etwas faul. Siehe da. Etwa zwanzig Meter unter uns liegt ein totes Wildschwein, später stellt sich heraus, dass es eine junge Bache war, sie muss praktisch sofort nach dem Schuss tot gewesen sein und ist nur noch ca. 100 Meter weiter gelaufen, bereits klinisch tot. Banges Aufatmen. Die erste Sau wäre gefunden. Eventuell wurde aber eine zweite getroffen. Wir durchkämmen den Wald in Zweiergruppen noch weitere anderthalb Stunden. Nichts. Kein Anschuss, kein Blutstropfen, die Hunde sind nicht mehr mit vollem Herzen dabei. Ein letztes bisschen Unsicherheit bleibt immer, aber beide Hündinnen sind erfahren auf Nachsuchen, das Gelände wurde von beiden weiträumig abgesucht, nichts. 
Eigentlich wäre ich jetzt bereits fürs Bett, nachher geht es zum Schiessstand, aber das Schwein muss versorgt werden, wenn wir den Hauch einer Chance haben möchte, dass das Fleisch geniessbar bleibt.  

Totes Wild muss eigentlich sofort versorgt werden, die Eingeweide, das sogenannte Gescheide, muss sorgfältig entfernt, bei Schweinen eine Trichinenprobe genommen und beim Landratsamt abgegeben werden, damit man das Fleisch verzehren darf und kann. Der Wildkörper speichert die Wärme, die dafür sorgt, dass das Fleisch ungeniessbar wird, verhitzt. Pro Stunde geht die Temperatur nur um 1° Celsius zurück - wieder etwas gelernt. 
In der Wildkammer folgt die Ernüchterung, das Fleisch ist ungeniessbar. Die Sau war so klein, war es richtig, bis zum nächsten Morgen zu warten, und damit das Fleisch aufs Spiel zu setzen? Diese Frage hat sich sofort gestellt, andererseits: Nachts, allein nur mit dem Hund einem Wildschwein zu begegnen, das einem nicht wohl gesonnen ist? Schweine sind sehr wehrhaft, jedes Jahr werden viele Menschen und Hunde bei Zusammentreffen mit ihnen verletzt, manche sterben. Nein, dieses Risiko wäre eine Nachsuche auf eigene Faust mitten in der Nacht nicht wert gewesen.

Warum ich zur Jagd gehe? Weil mich heute morgen kein Traum so hätte fesseln können, wie diese Nachsuche, weil mir wenig so viel Motivation verleiht, wie die Jagd. Ich fühle mich, auch (noch) ohne Jagdschein, am richtigen Ort. Es entspringt meiner tiefsten Überzeugung, dass die allermeisten Jäger Gutes tun, sie bilden die Brücke zwischen wilder, alter Natur und neuen Anforderungen an unsere Umwelt. Es obliegt ihnen eine zerbrechliche Balance zu schaffen, in einem Lebensraum, an dem praktisch nichts mehr natürlich ist. Schiessen, ja, schiessen gehört sicher dazu. Es ist der kleinste Teil der Aufgabe und ein sehr schmerzhafter, wie meine Schulter mir heute Abend meldet.